Dienstag, 10. März 2020

Der große Bluff

[ ausschweifend | mototon | nervig ]

Es ist ja im Allgemeinen eine gute Entwicklung, dass es im Traprap seit ein paar Jahren langsam auch Protagonist*innen gibt, die mehr machen wollen als nur niedrigschwellige Konsens-Songs über Markenklamotten, Hustensaft und toxische Maskulinität. Dass ein gewisses Narrativ innerhalb der Szene inzwischen recht ausgereizt ist und sich bewährte Formeln wiederholen, ist ja an sich nichts neues, doch seit kurzer Zeit zeigt sich, dass stattdessen auch riskante Crossover-Vorhaben nicht nur cool sein können, sondern durchaus auch erfolgreich. In den letzten drei Jahren haben sich mit Emo-Trap, Country-Trap und Einflüssen aus New Metal ein paar echt seltsame Trends innerhalb des Definitionsbereichs der Szene durchgesetzt und Leute wie Travis Scott, Shack Wes oder Rico Nasty zeigen effektiv, wie Ausdrucksformen eines progressivem Traprap-Ansatzes heute aussehen können. Was als Nebeneffekt zum ersten Mal auch dazu führt, dass Künstler*innen sich mit wesentlich ambitionierter angelegten Albumprojekten befassen, die dem Trend der stromlinienförmigen Schnellschuss-Projekte entsagen und viel Zeit und Mühe in ein hochwertiges Ergebnis investieren, statt auf größtmögliche Omnipräsenz zu setzen. Zu einem dieser Leute ist in den letzten drei Jahren auch Lil Uzi Vert geworden, der sich nach seinem überraschend erfolgreichen kommerziellen Debüt Luv is Rage 2 von 2017 direkt wieder mit großem Trara aus dem Rampenlicht zurückzog, um nach eigener Aussage an einer Art Opus Magnum zu arbeiten, das mit Eternal Atake nun das Licht der Welt erblickt. Einer effektiven Promoarbeit und hingebungsvollen Fans ist es dabei zu verdanken, dass dieser Veröffentlichung, welche letzten Freitag ohne festen Termin spontan erschien, schnell der Nimbus eines vollwertigen Comebacks anhaftete und die Platte kurz den Gesprächsstoff der gesamten Hiphop-Welt stellte. Eine gute Ausgangslage für den Künstler, weil die ganze Erwartungshaltung und der Zirkus drumherum für eine Weile übertönen konnten, was für eine absolute Katastrophe dieses Album letztendlich geworden ist. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was genau die große Eingebung oder der Masterplan hinter Eternal Atake gewesen sein soll, doch wenn es so etwas in der Art gibt, dann wird das hier in keinem Moment deutlich. Auch dass dieses Projekt angeblich so viel ambitionierter und aufwändiger sein soll als Uzis andere Sachen und dafür zwei Jahre ins Land gegangen sind, ist mit unbegreiflich. Denn im großen und ganzen klingt das, was hier passiert, kein Stück anders als das, wofür so viele andere Rapper*innen sonst nicht länger als drei Monate brauchen. Auf 16 Songs in etwas unter einer Stunde reproduziert der MC aus Philadelphia die üblichen dämlichen Klischees der Traprap-Tretmühle und klingt dabei auch nur unwesentlich anders als die meisten seiner Kollegen. Viele Ideen auf dieser LP sind sehr offensichtlich von Leuten wie Playboi Carti, Lil Wayne und Travis Scott abgekupfert und textlich besetzt Uzi hier die üblichen Allgemeinplätze: Obwohl er ein erfolgreicher Künstler mit viel Kohle, teurem Schmuck und häufig wechselnden Sexualpartnerinnen ist, findet er in seiner Existenz keinerlei Sinnhaftigkeit, fühlt sich Emotionslos und nimmt deshalb viele Drogen. Dass er dieses Narrativ quasi irgendwann mal mit erfunden hat und damit nur bei bewährten Stilmitteln bleibt, macht die ganze Sache auch nicht wirklich besser. Denn wo sein Vorgänger das stellenweise irgendwie noch hart und einfühlsam vermittelte, wirkt es hier irgendwie tranig, repetetiv und entzieht sich selbst auch das letzte bisschen Charakter, das Uzi vor drei Jahren vielleicht noch hatte. Dass viele Texte darüber hinaus extrem toxisch maskulin und sexistisch sind, kommt erschwerend hinzu. Auf Eternal Atake scheint der missverstandene und verwirrte Antiheld, den es auf Songs wie XO Tour Llif3 gab, nunmehr zum kompletten Arschloch mutiert zu sein, mit dem man eben kein Mitleid mehr haben will. Wobei diese Gegenüberstellung von ihm selbst durch Tracks wie P2 forciert wird, in denen er sich quasi selbst covert. Das ganze wäre weniger schlimm, hätte Uzi sich hier wenigstens musikalisch weiterentwickelt, aber auch in diesem Bereich entwickelt sich der Künstler eher zurück. Fast alle Songs hier basieren auf einer sehr stumpfen Formel von Standard-Trap, die vielleicht hier und da ganz gut produziert sind, aber insgesamt sehr einschläfernd und monoton daherkommen. Und wo viele Fans diese Eigenschaft gerne als "psychedelisch" oder "trippy" beschreiben, finde ich sie persönlich einfach nur öde und generisch. So gut wie kein Song hier sticht durch irgendeine spezielle Eigenschaft heraus und die Tatsache, dass es hier nur ein einziges offizielles Feature gibt (Ausgerechnet von Syd) verschlimmert das noch. Unterm Strich sorgt all das dafür, dass ich von Eternal Atake in den meisten Momenten einfach nur gelangweilt bin. Das große Versprechen vom epochalen, künstlerisch hochwerigen Album, das Lil Uzi in den vergangegen Jahren immer wieder machte, versandet hier mehr oder weniger komplett in einer drögen, unspannenden und unsympathischen LP voller bewährter, aber lahmarschiger Standards, die nichts neues oder originelles zu bieten hat, weder für die Szene als großes Ganzes noch für den Künstler selbst. Keine Ahnung wo sich der Rapper hier selbst sieht, aber die kreative Front im Trap verläuft gerade ganz woanders und auch als Dokument persönlicher Kämpfe taugt diese Platte herzlich wenig. Wenn sie für etwas steht, dann für das effektive Erzeugen einer gigantischen Hype-Seifenblase, die sich binnen sehr kurzer Zeit in Nichts auflöst. Zumindest ist das meine Vermutung, denn wenn das hier am Ende doch irgendwie erfolgreich sein sollte, bin ich wirklich verwirrt.



Hat was von
Travis Scott
Astroworld

Lil Wayne
Funeral

Persönliche Höhepunkte
Bigger Than Life | Chrome Heart Tags | Venetia | Secure the Bag

Nicht mein Fall
Pop | You Better Move | Homecoming | Bust Me


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