Samstag, 11. August 2018

Cirque du Travis




















2018 hat der Rest der Welt bereits sehr lange anerkannt, dass Travis Scott eine der festen Größen des modernen Traprap ist und daran ist sicherlich auch einiges dran. Für viele Jahre ist der Texaner jetzt schon regelmäßiger Kollaborateur und wesentlicher kreativer Impulsgeber von Kanye West, war Gast auf diversen maßgebenden erfolgreichen Genre-Platten und hat sich ganz nebenbei eine ziemlich gut laufende eigene Karriere aufgebaut. In dieser tritt er regelmäßig als Künstler auf, der die Mechanismen der Szene hinterfragt und anders denkt, was ihm auch von der Presse einige Probs eingebracht hat. Und obgleich auch ich nicht daran zweifle, dass sein Platz bei den Erwachsenen redlich verdient ist, bin ich nach wie vor sehr skeptisch, was die Qualität seines Outputs angeht. Sowohl unter seinen beiden "richtigen" Alben als auch unter seinen diversen Mixtapes und EPs war bisher keine Platte, die mich wirklich überzeugt hätte und auch wenn ich die visionäre Idee eines Rodeo durchaus anerkenne, eine gute LP war das Ding ehrlich gesagt nicht. Von seiner kompletten Mainstream-Phase der letzten Jahre mal ganz zu schweigen. Erst mit der Ankündigung seines dritten Longplayers Astroworld schöpfte ich in den letzten Monaten wieder etwas Hoffnung, dass es vielleicht doch noch was werden könnte. Denn so fair muss man sein: Auch 2018 ist Travis Scott noch ein sehr junger und neuer Künstler, für den zwei mittelmäßige Platten lange nicht bedeuten, dass er das Ruder nicht noch rumreißen kann. Und Potenzial, wenn auch sträflich unausgeschöpft, hatte er auf denen ja immerhin einiges gezeigt. Dazu kam bei dieser LP eine wahnsinnig erlesene Liste von Produzent*innen, Autor*innen und Gästen (Pharell Williams, James Blake, Stevie Wonder, Kid Cudi, Drake und Frank Ocean, um nur einige zu nennen), die auf ein abwechslungsreiches und unterhaltsames Album-Erlebnis hindeuteten. Zumindest eine erneute Chance wollte ich dem Rapper deshalb einräumen. Und man könnte durchaus sagen, dass das eine gute Idee war, denn immerhin ist das hier schonmal Travis' beste Platte seit Rodeo. Gegenüber der Monotonie und Schluffigkeit, die momentan weite Teile des Trap-Kosmos dominiert, kreiert der Texaner hier eine kleine Wundertüte an musikalischen Eindrücken, die durchaus über den eigenen Tellerrand hinaus blickt. So ist es für ihn beispielsweise eine Selbstverständlichkeit, auch analoges Instrumentarium wie Bläser, Akustikgitarren oder Klavierpassagen einzubauen, die sich teilweise ziemlich extreme Aureißer leisten, wie im großartigen B-Teil von Stop Trying to Be God oder in 5% Tint. Als nette kleine Gimmicks sind diese Ansätze hervorragend und man läuft durchaus Gefahr, sich durch sie davon ablenken zu lassen, dass den meisten Songs am Ende trotzdem jegliche Substanz fehlt. Nicht falsch verstehen: Travis Scott macht hier schon vieles dadurch besser als die meisten seiner Kolleg*innen, indem er solche Ausflüchte überhaupt zulässt. Dennoch sind auch diese meistens nur hübsch aufgebrezelter Stuck, der ein im Grunde genommen sehr klassisches und formelhaftes Songwriting-Konzept kaschieren soll. Besonders auf textlicher Seite wird das wieder sehr schnell deutlich, wenn es am Ende trotzdem nur um teure Autos, Handfeuerwaffen und Oralsex geht. Die inhaltliche Seite seiner Musik bleibt auch auch auf Astroworld die große Schwachstelle von Travis Scott, die die Platte letztendlich daran hindert, wirklich einen Unterschied zu machen. So gibt es zwar ganz nette musikalische Momente und tolle Features, im Kern jedoch hört man auch hier das gleiche unspektakuläre Blabla, das man auch bei dedem x-beliebigen Soundcloud-Fuzzi finden kann. Das, was diese LP besser macht als die Schnittmenge an aktuellem Rap, ist der bunte Zinnober, den sie drumherum veranstaltet, was ja immerhin schon mal etwas ist. Dafür, mich endgültig vom Künstler Travis Scott zu überzeugen, reicht es aber nach wie vor nicht. Es bewirkt bedauerlicherweise eher das Gegenteil.






Persönliche Highlights: Stargazing / R.I.P. Screw / No Bystanders / Skeletons / Wake Up / 5% Tint / NC-17 / Yosemite / Can't Say / Butterfly Effect / Houstonfornication

Nicht mein Fall: Carousel / Sicko Mode

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