Dienstag, 28. August 2018

Die Legende vom Scheitern des großen Musikers




















Die Geschichte von Orpheus, dem begnadeten Sänger, seiner Frau Eurydike, die er im Hades verlor und seinem legendären Deal mit den Göttern ist eines der großen Epen der griechischen Mythologie und gerade in der Musik ein allzu oft bearbeiteter Stoff. Der tragische Held darin bietet seit jeher eine optimale Projektionsfläche für Generationen von Musiker*innen, die sich selbst mit ihm identifizieren, weshalb auch nicht wenige von ihnen, von Claudio Monteverdi bis Arcade Fire, sich an einer Bearbeitung der Story versucht haben. Ein Rap-Album war darunter allerdings noch nicht, zumindest bis jetzt. Denn mit Animoss und Ka, die sich für dieses Projekt unter dem Namen Hermit & the Recluse zusammengefunden haben, widmet sich nun erstmals auch ein Hiphop-Duo dem klassischen Mythos. Und rein theoretisch könnte man keine besseren Leute für diesen Job finden. Animoss, der lange Zeit als Hauptproduzent für Rob Marciano tätig war, ist als äußerst begnadeter Sample-Grabräuber bekannt und versteht es, einen organischen und edlen Sound zu finden, der die richtige Balance zwischen musikalischem Geschmack und Storytelling-Note findet. Ka wiederum ist am anderen Hebel eben genau der Storyteller, den diese Geschichte verdient. Nicht nur beeindruckt er regelmäßig durch eine beachtliche Ausführlichkeit in seinen sehr lyrischen Texten, vor allem ist er bereits erfahren mit den Ansprüchen, die klassische Weisen mit sich bringen. Erst vor zwei Jahren beeindruckte er auf einem Album Namens Honor Killed the Samurai mit einem textlichen Amalgam aus Gangster-Rap und Erzählungen aus dem Japan des Mittelalters, das ich an dieser Stelle wärmstens empfehlen kann. Wenn es also eine Person im Hiphop gibt, der sich dieser Geschichte würdig erweisen könnte, dann er. Und sein Beitrag hier war letztendlich auch der Hauptgrund, warum Orpheus vs. the Sirens für mich so interessant war. Sicher, das Albumkonzept an sich ist auch wahnsinnig spannend und sein Kollege Animoss hat zweifelsohne Talent, vor allem wollte ich aber mal wieder eine richtige Platte von Ka hören. Die habe ich hier in gewisser Weise auch bekommen. Die zehn Tracks dieser LP sind gewohnt bodenständiger, ehrlicher und inhaltlich fokussierter Rap, der musikalisch nicht viele Mätzchen macht und vor allem durch seine Texte reizvoll sein soll, das übliche Prozedere also. Das große Problem des Projekts ist nur, dass es dabei eben genau an dieser Kernkompetenz hapert. Beurteilt man Orpheus vs. the Sirens danach, ob die Beats gut sind, der Flow hinhaut und der allgemeine Vibe stimmt, ist das hier eigentlich eine ziemlich gute Platte. Das Material von Animoss ist zwar vielleicht etwas standardmäßig und viele der Sprachsamples könnten offensichtlicher nicht sein, aber handwerklich schlecht ist das alles nicht. Sein Beitrag hier ist sehr ähnlich dem, was man vor einigen Jahren auf den beiden Twelve Reasons to Die-Alben von Ghostface Killah hörte, die ich ja beide ziemlich mochte. Ihm kann man hier also nicht wirklich einen Vorwurf machen. Viel eher ist es die Performance von Ka, die hier die wirkliche Enttäuschung darstellt und mich als einen Verehrer seiner Kunst sogar ein bisschen schockiert. Denn was er hier von sich gibt, kann man in den meisten Momenten einfach nur als oberflächlich bezeichnen. Dass die Erzählung von Orpheus und Eurydike hier eher zur groben Rahmenhandlung wird und er dafür auch biografische Themen aufarbeitet, ist dabei nicht mal das Problem. Viel schlimmer ist, dass er das ganze Konzept mit der griechischen Mythologie lediglich als billigen Metaphern-und-Punchline-Lieferanten benutzt. Beliebig springt Ka dabei von Story zu Story, greift etwa auch ganz andere Materialien wie König Ödipus, Atlas, Jasons Argonauten oder den Fluch des Sisyphus auf und bastelt daraus dann jeweils irgendeine Botschaft, die ihm gerade in den Kram passt. Die Beschäftigung mit den eigentlichen Mythen geht dabei ebensowenig in die Tiefe wie die letztendlichen Aussagen des Rappers, die sich mit billigen Floskeln wie "das Leben ist kein Ponyhof" oder "Mit großer Macht kommt große Verantwortung" zusammenfassen lassen. Wenn dabei dann auch noch Zeilen wie "It ain't never shoot you / just headed to you with nines / it's the hydra" herauskommen, weiß man eigentlich bescheid: Orpheus vs. the Sirens ist ziemlich pretenziöse Pseudo-Kacke. Was eigentlich unverständlich ist, denn gerade Ka musste sich diesen Vorwurf bisher nie gefallen lassen. Wenn es in meinen Augen einen Rapper gab, der wirklich tiefsinnige Sachen schrieb, war er das und Sprüchekalender-Songs wie hier waren stets unter seinem Niveau. Wie es zu diesem Totalausfall kommen konnte, ist mir daher ein ziemliches Mysterium. Und es ist deshalb schade, weil ich tatsächlich glaube, dass die Kombination der drei Faktoren Ka, Animoss und griechische Mythologie hätte funktionieren können, wenn es daran nicht gehangen hätte. So erleben wir hier den ersten mächtigen Durchänger des New Yorker MCs und hoffentlich bis auf weiteres auch den letzten. Denn ein großer Verehrer seiner Kunst bin ich nach wie vor. Und hey, auch Orpheus hat es in der Geschichte am Ende ziemlich verkackt. Ein bisschen passt das ganze also schon.






Persönliche Highlights: Atlas / Argo / Hades / Companion of Artemis

Nicht mein Fall: the Sirens

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