Dienstag, 7. August 2018

Ein kleines bisschen Horrorshow




















Was zum Teufel ist eigentlich los mit Hiphop im Jahr 2018? Dafür, dass die Rapper*innen dieser Welt angeblich weiterhin selbige regieren, ist die laufende Saison erstaunlich arm an bahnbrechenden Platten aus der Szene. Sicher, Kanye West hat in den letzten paar Monaten erstmal genug Musik veröffentlicht, um keine Mangelerscheinungen aufkommen zu lassen, aber abgesehen davon sieht es recht dünn aus im Game. Unter den Releases, die ich seit Januar mit dem Tag eines Favoriten versehen habe, sind gerade mal zwei Rap-Alben, von denen eines das neue von Drake ist, also eigentlich auch nur halb zählt. Die großen Kandidaten wie A$ap Rocky, Cardi B, J. Cole und Jay-Z haben abgesehen davon alle mehr oder weniger enttäuscht. Und auf ein wirklich definierendes Projekt, das den Stand der Szene in meinen Augen eindrucksvoll vermittelt, hat bis jetzt nicht stattgefunden. Vielleicht liegt es ja auch an mir, aber im letzten halben Jahr habe ich so viel Hiphop aus allen erdenklichen Richtungen besprochen, dass ich auch daran nicht wirklich glaube. Es waren wahrscheinlich die falschen Leute, die in meinem Radar gelandet sind. Warum probiere ich es also nicht mal mit jemandem, der zwar schon seit geraumer Zeit drumherum fliegt, den ich aber nie wirklich für voll genommen habe? Jemand wie Denzel Curry zum Beispiel. Seit fünf Jahren macht dieser inzwischen schon mehr oder weniger erfolgreich Musik, wobei er nicht erst seit kurzem als einer der wirklichen Freigeister der modernen Rap-Szene gilt. Platten wie Nostalgic 64 oder Imperial gelten bei Trap-Nerds wegen ihrer klanglichen Brutalität, Kreativität und Trend-Resistenz als große Impulsgeber und der Künstler dahinter schon lange nicht mehr als Newcomer. Dass ich nicht bereits vor Jahren über ihn geschrieben habe, ist also durchaus eine Verfehlung, was aber nicht ausschließlich an mir liegt. Teilweise war es in der Vergangenheit schwer, an anständige Streams seiner Platten zu kommen, weshalb ich mich bisher einfach immer gegen eine Besprechung entschied, die am Ende eh niemand lesen würde. Bei TA13OO ist das Gefüge aber erstmals ein bisschen anders. Nicht nur, weil es besagte Streams (auch vieler alter LPs) inzwischen überall gibt, sondern auch, weil Denzel Curry Stand 2018 mehr und mehr den Status eines Underground-Helden verlässt. Zwar erscheint die neue Platte noch immer auf einem Indielabel, doch durch seine immense Aktivität an der Basis hat sich der Rapper inzwischen an vielen Stellen einen Namen gemacht. Die Folge daraus war in den vergangenen Wochen mit Clout Cobain sein erster viraler Hit, der einiges an Buzz erzeugte und aus dem wiederum resultierte, dass plötzlich alle über TA13OO sprechen. Tatsächlich hätte Curry dafür aber auch keinen besseren Zeitpunkt erwischen können, denn wenn man mich fragt, ist das hier ganz klar sein bisher bestes Album. Nach der langen Zeit in der Indie-Sparte des Hiphop fordert der MC hier auch künstlerisch erstmals mehr von sich und stellt der daherkommenden Hype-Laufkundschaft damit direkt ein ziemlich sperriges Konzeptalbum in den Weg. Auf der in drei Teile separierten LP beschäftigt sich der Rapper sehr eindrücklich mit den finsteren Seiten der menschlichen Psyche, was für ihn ehrlich gesagt ein ziemlich passendes Thema ist. Denn wo bei anderen die Beschäftigung mit Psychopathie, Horror-Szenarien und düsteren Geschichten schnell zum Marylin Manson-artigen Mall-Goth-Blödsinn verkommt, ist er für mich einer der weniger Künstler*innen, die wirklich Grusel-Faktor besitzen. Wobei er diesen hier nicht mal strapazieren muss, um überzeugend zu sein. TA13OO ist ein sehr ehrliches Album mit diversen Eindrücken, die vor allem ein sehr vielfältiges Bild von Denzel Curry zeigen. So ist das erste Drittel der Platte überraschenderweise in einem sehr psychedelisch-souligen Ton gehalten, der mitunter an Kolleg*innen wie Outkast oder Joey Bada$$ erinnert, was anfangs nicht unbedingt meine Assoziation gewesen wäre, aber dennoch ziemlich gut gepasst. Doch gerade wenn man sich daran einigermaßen gewöhnt hat, dreht Curry den Spieß wieder um. Angefangen mit Sumo, seinem bisher vielleicht brutalsten Trap-Brett, beginnt der extrem düstere Mittelteil des Albums, der die Platte stimmungsmäßig komplett kippt. Hier erlebt man nun Denzel Curry, wie man ihn kennt, als finsteren Zaren der Hi-Hat-Beats, der hier einen Banger nach dem anderen vom Stapel lässt. Dass es bei ihm an solchen Monstern nicht mangelt, konnte man schon auf Imperial hören, hier verfeinert er die Rezeptur aber nochmal deutlich. Vor allem legt er seinen Fokus aber weg vom reinen Hitschreiben, hin zu Albumkontext und ganzheitlichem Flow. Und so macht dann irgendwie auch das seltsame Clout Cobain Sinn, dass den zweiten Teil der LP abschließt und in meinen Augen definitiv der schlechteste Song hier ist. Klar kann man es als ironisches Statement verstehen, dass Curry so betont dämlich die Stilistik von Künstlern wie Lil Xan und 6ix9ine mimt, allerdings wirkt das ganze trotzdem Fehl am Platz auf diesem sonst sehr ernsthaften Album. Im dritten Teil trudelt TA13OO dann mehr oder weniger aus, was auch ein bisschen dafür sorgt, dass es den Faden ein wenig verliert, mit Percs und Vengeance sind aber nochmal zwei der besten Tracks der Platte dabei. Insbesondere auf ersterem beeindruckt Curry, der hier vor allem seinen Status als Indie-Künstler verteidigt und damit nochmal ein echtes Statement setzt. Und auch wenn die Platte am Ende bei weitem nicht fehlerfrei ist und teilweise auch ziemlich komisch wirkt, kann man ihr zumindest nicht vorwerfen, gewöhnlich zu sein. Mit seinem bisher größten Album wuchtet Denzel Curry ein Gesamtwerk in die Welt, das inhaltlich, klanglich und strukturell herausfordert. In einem Jahr, in dem die meisten Rapper*innen Songs machen, die so klingen wie die Drogen, die sie nehmen, beziehungsweise auf Playlist-Tauglichkeit zurechtgestutzt sind, auf jeden Fall eine Erfrischung. Und vielleicht die LP, die ich 2018 gebraucht habe, um Rap nicht ganz zu verlieren.






Persönliche Highlights: Black Balloons / Sumo / Super Saiyan Superman / Switch It Up / Mad I Got It / Sirens / Percs / Vengeance

Nicht mein Fall: Clout Cobain / the Blackest Balloon

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen