Mittwoch, 29. August 2018

Jetzt im Kühlregal




















Die Musikwelt würde Devonté Hynes sicherlich auch dann lieben, wenn er selbst gar keine eigenen Platten mehr veröffentlichen würde. Als Produzent und Songwriter für so unterschiedliche Acts wie Solange, FKA Twigs, Kylie Minogue und Carly Rae Jepsen hat er sich in den letzten vor allem einen Namen als der Star hinter den Reglern gemacht, den vor allem Mainstream-Künstler*innen immer dann heranziehen, wenn sie artsy und verwegen klingen wollen. Er für seinen Teil macht auf seinem eigenen Projekt Blood Orange ja schon seit Ewigkeiten vor, wie sowas funktionieren kann. Wenige andere Musiker*innen verstehen es, mit solch minimalen kompositorischen Akzenten so gelungenen und emotionalen R'n'B zu machen wie Hynes, dessen letzte zwei Alben Cupid Deluxe und Freetown Sound ihn als Schöpfer einer eigenen kleinen klanglichen Welt zeigten. Nicht selten klingen die Songs darauf dann wie die eindrucksvollen Covermotive der Platten: Irgendwie kalt, irgendwie erfüllt von Tristesse, aber auch in gewisser Weise mystisch und voller verborgener Geschichten. Die Musik von Blood Orange findet ihre Spannung stets in den Stellen, die sie leer lässt, in Zwischenräumen und in den kleinen Gesten, die woanders vielleicht gar nicht auffallen. Es brauchte daher auch für mich Zeit, diesen Minimalismus nicht mit schlichter Langeweile zu verwechseln und mittlerweile kann ich durchaus zwischen dem einen und dem anderen unterscheiden. Weshalb ich auch definitiv keiner Verwechslung anheim falle, wenn ich seine neueste LP Negro Swan wirklich ein bisschen langweilig finde. Dabei zeigt sich auch erstmals, wie schmal der Grat ist, auf dem Devonté Hynes stilistisch wandert. Denn eigentlich ist dieses Album rein ästhetisch so etwas wie der Zwillingsbruder seines Vorgängers Freetown Sound. Die gleichen leichten Funk- und Gospel-Tupfer, viele Gastauftritte von anderen Sänger*innen, ein alles umschwebender Soul-Schleier, Tracks, denen insgesamt viel Platz gelassen wird und ein genereller Unwille, aus Skizzen fertige Songs zu bauen. Wo einen dieser frei schwebende, zerfaserte und zelluläre Sound dort aber faszinierte, ist er hier tatsächlich einfach nur ziemlich öde und bisweilen auch etwas seltsam. Wenn man sich beispielsweise in Holy Will fast zwei Minuten lang eine isolierte A-Capella-Gospelpassage anhört, ist das sicher sehr experimentell und neu, es braucht aber auch niemand wirklich. In anderen Nummern wie der großen Single Saint oder Vulture Baby passiert nicht besonders viel und dass gefühlt 30 Prozent der Platte aus gesprochenen Skits, Interludes und anderthalbminütigen Mini-Songs besteht, hilft ebenfalls wenig. Dabei sind sehr gute Stücke hier durchaus keine Seltenheit: Der Opener Orlando besticht mit seiner groovigen Funk-Basis, Hope mit dem Zusammenspiel aus Rap und R'n'B, Runnin' hat eine wunderbare Akustikgitarre an der Spitze (ganz zu schweigen von der fantastischen Georgia Anne Muldrow) und Nappy Wonder bringt die unterkühlten Synthesizer vom Vorgänger zurück. Das Problem dabei ist nur, dass es in dieser Qualität keine Stringenz auf dieser LP gibt. Die eben genannten Tracks sind Highlights, die aus einer großen Masse an Füller-Stücken, Songskizzen und klanglichen Experimenten herausragen, die irgendwo zwischen gleichgültig und furchtbar tendieren. Insgesamt macht das Negro Swan zwar nicht im geringsten zu einer wirklich schwachen Platte, aber zumindest zu einer sehr durchwachsenen. Und diese Vokabel musste ich für die Arbeit von Blood Orange zumindest schon lange nicht mehr bemühen, das letzte Mal vielleicht bei seinem Debüt. Dass man Devonté Hynes deshalb komplett vergessen kann, bedeutet das natürlich auch nicht gleich. In den Momenten, die hier wirklich anstecken, zeigt sich der Songwriter ein weiteres Mal als höllisch talentierter Studio-Fuchs, bei dem diesmal einfach nicht alles so funktioniert, wie es geplant war. Und wenn er in Zukunft stilistisch vielleicht ein bisschen was anderes probiert und wenigstens einige seiner Leerstellen ausfüllt, bin ich mir sicher, dass er nochmal ein so großartiges Projekt auf die Beine stellt wie vor zwei Jahren. Andernfalls haben wir ihn ja auch immernoch als tollen Produzenten auf unserer Seite.






Persönliche Highlights: Orlando / Take Your Time / Hope / Charcoal Baby / Nappy Wonder / Runnin' / Out of Your League / Smoke

Nicht mein Fall: Saint / Chewing Gum / Holy Will / Minetta Creek

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