Dienstag, 14. August 2018

Die finsteren Zwanziger




















Vermutlich wäre ich über eine Band wie Imperial Triumphant niemals gestolpert, wäre die Formation in der Welt des Metal nicht so unheimlich gut vernetzt. Als Urgewächs der New Yorker Extreme-Metal-Szene ist das Trio quasi eine Art Fixpunkt vieler dortiger Musiker*innen, darunter eben auch einige meiner Lieblingsacts. Wer die Fäden ein wenig verfolgt, die um sie im Big Apple und Umgebung über Jahre gesponnen wurden, landet schnell bei Projekten wie Liturgy oder Artificial Brain, die ich in der Vergangenheit als äußerst spannende Bands kennegelernt habe. Und da es so aussieht, als wären Imperial Triumphant so etwas wie die Sonne in der Galaxie dieser beiden doch sehr unterschiedlichen Acts, wollte ich mir ihr neues Material doch unbedingt mal zu Gemüte führen. Wobei ich jetzt schon sagen kann, dass das eine gute Idee war. Denn was sie auf ihrem aktuellen Projekt Vile Luxury veranstalten, ist nicht weniger kreativ und progressiv als das, was ich von den beiden bekannten Projekten schon kenne und liebe. Mit ihrem extrem finsteren technischen Death Metal sind diese New Yorker stilistisch sehr nah an der Art und Weise von Musik, die auch Artificial Brain spielen, lediglich ihre Ästhetik ist dabei eine andere. Statt kompositorisch und klanglich mit möglichst dystopischen, technisierten und mechanischen Motiven zu spielen, suchen Imperial Triumphant andere Bilder, um mehr oder weniger dasselbe auszudrücken. Schon das Cover spielt mit seinen retrofuturistischen Anklängen in diese Richtung und auch in ihren musikalischen Entscheidungen bedient sich die Band stark an Ausdrucksformen der Zwanzigerjahre. Dinge wie Fritz Langs Metropolis, Scott Fitzgeralds Der große Gatsby, Zwölftonmusik oder expressionistische Lyrik sind definitiv Verweise, auf die Vile Luxury anspielen möchte und die Art und Weise, wie das hier passiert, ist ziemlich rabiat. In groben Zügen kann man die Platte als Konzeptalbum über Urbanisierung, Dekadenz und menschliche Isolation begreifen, die allesamt Themen der Zwanziger waren, die Imperial Triumphant hier aufarbeiten. Um das zu illustrieren, nutzen die Musiker zum einen die brachiale Härte und Düsternis ihres Sounds, spicken diesen hier und da aber auch mit Saxofonen, Piano-Passagen oder, wie im Opener Swarming Opulence, mit einem kompletten Bläsersatz. Des weiteren zitiert das verschrobene und kantige rhythmische Spiel der Band Komponisten wie Arnold Schönberg oder Béla Bartók, was nicht nur unglaublich clever, sondern in diesem Fall auch sehr stimmig ist. Dass dabei dann kein einfach verdaulicher Pommesgabel-Metal rauskommt, dürfte von vornherein klar sein. Vile Luxury ist mit ganzer Seele Avantgarde und dass es sich scheinbar an keine Regeln hält, ist ganz klar Teil seines ästhetischen und inhaltlichen Konzeptes. Die Kritik, Imperial Triumphant würden hier nur Lärm fabrizieren, ist also weit verfehlt. Dennoch werden vielleicht auch einige hartgesottene Progmetal-Nerds hier so ihre Probleme haben. Im Gegensatz zu Artverwandten wie Artificial Brain oder auch Unru legen Imperial Triumphant nämlich verhältnismäßi wenig wert auf technische Brillianz. Klar gibt es sie, die vertrackten Blastbeats, akrobatischen Bassläufe und Kaskaden Riffs und wenn wir von ungeraden Takten reden, gibt es hier wahrscheinlich keine Ausgefuchstheit, die die Band nicht probiert. Allerdings sind gerade die Drums hier gerne auch mal enervierend unspektakulär und spröde, in Mother Machine sogar fast naiv. Das passt so wie es ist zur Gesamtidee und ist deshalb klasse, wer Muckerei hören will, wird hier vielleicht manchmal enttäuscht. Ich betone das nur, um zu erklären, wo die Maßstäbe der New Yorker hier liegen und wo nicht, denn Vile Luxury ist ein bisschen ein Album, bei dem es sich lohnt die Hintergründe zu verstehen. Für sich ist es allemal schon ein bemerkenswertes Extreme-Metal-Werkstück, doch mit ein bisschen Verständnis ist es ein filigranes Prachtstück von einer LP. Die wird vielleicht nicht allen zusagen, aber bei mir gaben Imperial Triumphant ins Schwarze getroffen. Was bei ihrem Umgang auch ein bisschen zu erwarten war.






Persönliche Highlights: Swarming Opulence / Lower World / Chernobyl Blues / Cosmopolis / Mother Machine / the Filth / Luxury in Death

Nicht mein Fall: -

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