Montag, 27. August 2018

Die Prozedur




















Man braucht nicht wirklich viel um den heißen Brei herumreden: 2018 sind Interpol eine Band, die sich langsam aber sicher ihrem gemächlichen Zerfall hingibt. Wo dieser angefangen hat, ist Ansichtssache. Viele sehen ihn beim selbstbetitelten Album 2010, andere bei den Soloplatten von Paul Banks, wieder andere beim Ausstieg von Bassist Carlos Dengler kurz danach. Doch egal, wo die Fäule letztendlich begann, das Ergebnis ist das gleiche: Schon seit ziemlich langer Zeit machen die New Yorker einfach keine gute Musik mehr. Wenn man mich persönlich fragt, sind es tatsächlich Fragmente jener 2010er-LP, auf denen sie das letzte Mal so richtig überzeugten, danach wurde die Luft stetig dünner. Und ihr letzter Longplayer, El Pintor von 2014, klang dann erstmals nach einer völlig unmotivierten, festgefahrenen und langweiligen Band, die mit letzter Kraft versuchte, uns den vierten Aufguss des Sounds ihrer ersten beiden Platten zu verkaufen, was kläglich scheiterte. Es siecht sich also so dahin bei Interpol und zum jetztigen Zeitpunkt ist daher eine klangliche Runderneuerung bei ihnen mehr als überfällig. Wobei ich auch gleich sagen kann, dass diese mit Marauder mal wieder nicht kommt. Auf der mittlerweile sechsten LP der New Yorker hört man zum mittlerweile sechsten Mal die gleiche musikalische Rezeptur aus Postpunk, Indierock und New Wave, die schon lange ihre letzte Attraktivität verloren hat. 16 Jahre nach Turn On the Bright Lights hat diese Band so gut wie nichts an ihrer kompositorischen Ästhetik verändert und rudert auch inhaltlich ziemlich im Kreis. Noch immer dominieren hier die scharfkantigen Gitarrenlinien, die fast schon nostalgisch klingen, noch immer gibt es eher wüste Riff-Collagen und zusammengeschusterte Hooks statt gescheiter Songstrukturen und noch immer schmiert sich über alles die inzwischen totnervige Wannabe-Goth-Stimme von Paul Banks. Es gibt Platten von ihnen, da sind das alles Elemente, aus denen sie Indierock-Wunderwerke wie Evil oder the Heinrich Maneuver am laufenden Band schneidern, es ist seitdem aber auch eine Formel geworden. Eine Formel, die ich für meinen Teil einfach nicht mehr hören kann. In ihrer eigenen Stilsicherheit sind Interpol bereits jetzt so verkrampft wie es sonst nur altehrwürdige Acts wie Element of Crime oder AC/DC sind, die ihren Stiefel deshalb so spielen, weil sie Kreativität überwunden haben. Doch dass das auch für diese Jungs gilt, wage ich zu bezweifeln. Wäre dem so, dann hätte Paul Banks nicht erst vor zwei Jahren ein gemeinsames Album mit RZA gemacht und Daniel Kessler würde nicht nebenbei ein Ambient-Postrock-Projekt betreiben. Diese Musiker schauen durchaus über den Tellerrand, nur leider nicht mehr im gemeinsamen Bandkontext. Demzufolge ist Marauder ein ziemlich trauriges Häufchen Elend von einem Album, über das man sich nicht mal das Maul zerreißen kann, weil man dabei genau die gleichen Dinge sagen würde wie vor vier Jahren bei El Pintor. Der einzige Grund, warum ich sie deshalb nicht einfach in den Schnelldurchlauf verklappe ist, weil sie am Ende des Tages doch immer noch einen Platz in meinem Herzen haben und irgendwann mal so gut waren, dass sie den auch mit ihrem zweiten richtig miesen Album in Folge nicht einbüßen. Außerdem scheint es da draußen genügend Leute zu geben, die tatsächlich noch immer glauben, Marauder wäre gut. Und gegen solche Fake News muss ich mich als verantwortungsbewusstes Medium natürlich in aller Deutlichkeit äußern.






Persönliche Highlights: If You Really Love Nothing / Mountain Child / NYSMAW

Nicht mein Fall: Complications / Flight of Fancy / It Probably Matters

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