Montag, 20. August 2018

Gegen die Wand




















Ich hatte schon vor längerer Zeit überlegt, mal über Ariana Grande zu schreiben, denn warum sollte man das eigentlich auch nicht tun? Als Sängerin ist sie inzwischen schon ein paar Jahre ziemlich erfolgreich, regelmäßig wird über sie und ihren Output diskutiert und wirklich lahm oder gesichtslos fand ich ihre Musik eigentlich noch nie. Seit ihrem Debüt 2013 hat sich die Musikerin aus Florida einen mehr oder weniger stringenten künstlerischen Charakter zugelegt, der abseits von Trends funktioniert und dann und wann auch wirklich mal überraschend sein kenn. Woran es bisher einzig fehlte, waren in meinen Augen die starken Songs, die eine Platte von vornherein anziehen konnten und interessant machen konnten. Sicher, Hits hatte Grande bis hierhin bereits eine ganze Menge und kommerziell kann man ihrer Karriere tatsächlich nichts besseres wünschen. An einer wirklich bemerkenswerten, zeitlosen Nummer, die auch in kreativer Hinsicht Aufsehen erregen konnte, fehlte es allerdings lange Zeit. Und an dieser Stelle kommt 2018 eine kleine Single namens No Tears Left to Cry ins Spiel. Ein Song, der meiner Meinung nach ein entscheidender Drehmoment für die Künstlerin ist. Zum einen ist er der bisherige Höhepunkt der langen und aufwändigen Charakterbildung von Ariana Grande, an dem sie völlig souverän eine ziemlich erwachsene Popmusik spielt, zum anderen endlich der eine große Einzeltrack, der wie ein Leuchtfeuer auf der Spitze ihrer Diskografie strahlt. Wenn man mich fragt, ist No Tears Left to Cry unangefochten einer der besten Songs des bisherigen Jahres und ganz klar das Highlight, das mich endgültig dazu bewogen hat, auch zum ersten Mal einen Longplayer von ihr zu besprechen. Denn nach so einem Einstand hatte ich tatsächlich das Vertrauen, dass es auch auf Großformat lohnenswert wäre, sich Ariana Grande zu widmen. Und ganz nebenbei waren auch die übrigen Vorab-Singles von Sweetener gar nicht mal so übel. Es schien also das Album zu werden, das mich von dieser Künstlerin überzeugen würde. Oder auch nicht. Denn was ich in all meiner Euphorie vergessen hatte war, dass sie sich vielleicht gar nicht künstlerisch durchsetzen will. Am Ende des Tages muss man nämlich auch bedenken, dass sie nach wie vor den größten Teil ihrer Musik nicht selbst macht, ein von A&Rs aufgedeckeltes Image verkörpert und ganz allgemein noch immer ein ziemlicher Retorten-Popstar ist. Ihr Publikum ist eines, das gerne die Katze im Sack kauft, ein Album vielleicht noch immer wegen zwei, drei guten Tracks besitzen möchte und falls nicht, wenigstens für die Quote in den sozialen Netzwerken sorgt. Und genau in diesem Stil ist Sweetener dann auch eine Platte, die extrem an der Oberfläche schwimmt. Alle Stücke, die man hier als halbwegs akzeptabel bezeichnen kann, sind zu diesem Zeitpunkt bereits als Singles veröffentlicht wurden, den ganze Rest kann man bestenfalls als hingeschludert betrachten. Pharell Williams als einziger Produzent macht seinen Job okay, liefert hier aber auch die gleiche Show ab, die man von ihm seit Jahren kennt (inklusive 4/4-Trademark-Hit in circa jedem zweiten Song), und sein Gesangs-Feature in Blazed ist definitiv eine der schlimmsten Sachen an diesem Album. Auch die beiden weiteren Gäste Nicki Minaj und Missy Elliott machen die Suppe mit ihren ziemlich luftleeren Parts nicht fett, was aber ganz klar auch nicht der Plan war. Viel schlimmer ist es, dass Ariana Grande selbst sich auf diesen ganzen Mist einlässt. Es ist fast niedlich, wie sie sich hier stimmlich in Songs reinwirft, die ganz offenkundig ohne jedes Herzblut zusammengeschustert wurden und so mal wieder gute Miene zum bösen Spiel macht. Man kann ihr das nicht vorwerfen, ist sie doch augenscheinlich die einzige Person, die sich für diese LP irgendwie Mühe gegeben zu haben scheint. Sie tut mir deshalb eher Leid. Man spürt, dass sie am jetzigen Punkt ihrer Karriere echt einiges zu sagen hat (Manchester, Feminismus, ihre Verlobung, et cetera...) und für die Umsetzung dessen eigentlich jemanden in ihrem Team bräuchte, der sich dessen annimmt. Sicher, einen Pharell Williams zu engagieren ist tausendmal besser, als 30 Songschreiber*innen vom Label gestellt zu bekommen, die aus diesem Album ein kommerzpoppiges Wurstgewitter gemacht hätten, allerdings wirkt auch der hier ziemlich ratlos. Mit dem Ergebnis, dass eine wahnsinnig talentierte junge Musikerin hier weiterhin gegen eine Wand singt. Und das im vielleicht entscheidenden Moment ihrer Karriere. Eine verschwendete Chance.






Persönliche Highlights: the Light is Coming / God is A Woman / Breathin / No Tears Left to Cry / Better Off

Nicht mein Fall: Raindrops (An Angel Cried) / Blazed / Successful

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