Freitag, 17. August 2018

Nicht Nico




















Die Band Die Heiterkeit war für mich in diesem Format bisher nie ein Thema, und eigentlich hatte das bisher auch keinen wirklichen Grund. Was ich vor diesem Artikel von ihnen wusste war, dass es sie gab und dass sie meistens von intelligenten Kunstmenschen gemocht werden. Seit ein paar Tagen weiß ich jetzt auch noch, dass ich sie nicht besonders mag, weil ich mir sie angehört habe. Ich weiß außerdem, dass Stella Sommer ihre Sängerin ist, denn sie ist der Grund, warum ich Die Heiterkeit hörte. Und das wiederum hängt damit zusammen, dass sie gerade aus dem Stand ein ziemlich gutes Solo-Debüt veröffentlicht hat, das zum Glück reichlich wenig mit ihrer Band zu tun hat. Sicher, Sommer hat einen ziemlich unverwechselbaren stimmlichen Fußabdruck, der ganz klar Vergleiche hervorruft, auch wenn sie hier englisch singt. Doch in fast allem anderen streift die Hamburgerin hier jegliche Stilmittel ab, die man mit ihr verbindet und erfindet sich auf 13 Kinds of Happiness als artsy, kosmopolite Songwriterin neu. Und das hat auch einen Effekt auf ihre allgemeine Wirkung. Denn als im Frühjahr dieses Jahres ihre erste Single Light Winds bei den richtigen Leuten landete, fanden das auch außerhalb Deutschlands ein paar von ihnen gut und plötzlich steht Stella Sommer international auf manch einer Trendsetter-Liste. Was aber sicherlich auch damit zusammenhängt, das sie hier noch mehr denn je an eine andere sehr bekannte deutsche Songwriterin erinnert, die in Übersee erfolgreich wurde und sogar eine Platte mit Velvet Underground machte. Man braucht eigentlich nur wenige Minuten, um bei diesen Songs an Nico zu denken. Nicht nur wegen Sommers sonorer Stimme und dem absichtlich dick aufgetragenen Akzent, auch kompositorisch gibt es Parallelen: Tracks wie I Had No Idea oder das Titelstück nehmen ganz klar große Inspiration aus sehr verschiedenen musikalischen Phasen der Sängerin, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass die komplette Platte nur geklaut ist. Das Nico-Plagiat ist eine Grundstimmung, die Sommer jedoch mit allen möglichen stilistischen Ausflüchten zu zerstreuen vermag. Da gibt es beispielsweise das düstere und groovige Dark Princess, Dark Prince, das leicht an Americana angelehnte A Certain Glow, das eher elektronisch getragene For A Loner oder mein persönlicher Favorit, die Klavierballade Birds of the Night im Duett mit Dirk von Lowtzow. Der Closer Hierhin kommt der Teufel ist sogar auf deutsch gesungen. Alle Songs umschwebt darüber hinaus ein leichter Hauch von Gothrock, der mitunter auch mal zum sehr konkreten Ian Curtis-Moment werden kann. Wenn Stella Sommer also schon nicht besonders originell ist, so befindet sie sich einflusstechnisch zumindest in ziemlich illustrer Gesellschaft. Man kann sagen was man will, die Platte ist insgesamt sehr stimmig und man hat trotz allem den Eindruck, die Sängerin tut hier etwas künstlerisch sehr wertvolles. Nicht etwa so wie bei Die Heiterkeit, wo man sich das einfach selbst einredet, sondern hier hat man tatsächlich das Gefühl. Für mich persönlich schafft sie es sogar, hier ein bisschen die Art von Künstlerin zu sein, die Leute wie Chelsea Wolfe und Perfume Genius wahrscheinlich nie für mich sein werden. Und das ist für das Debüt einer Sängerin, die ich bisher nicht kannte und die ich verachtet hätte, falls ich sie gekannt hätte, doch gar nicht so schlecht. Im Optimalfall ist 13 Kinds of Happiness ein Album, dass im Nachhinein auf die Karriere von Frau Sommer abstrahlt und vielleicht auch ihre Band irgendwann halbwegs genießbar macht. Im schlimmsten Fall ist es dann die Platte, auf die man verweisen kann und sagt "Die war auch mal richtig gut.", beziehungsweise die wahrscheinlichere Variante "Die klang mal ziemlich wie Nico".






Persönliche Highlights: 13 Kinds of Happiness / Light Winds / Do You Still Love Me Now? / Dark Princess, Dark Prince / Birds of the Night / Collapse/Collapsing / Hierhin kommt der Teufel

Nicht mein Fall: -

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