Sonntag, 5. August 2018

An Album for Ants




















Man macht es sich sehr einfach, im Kontext mit Tony Molina immer ausschließlich über die Spieldauer seiner Platten zu reden. Wenn es einwas gibt, wofür der Songwriter seit Beginn seiner Karriere bekannt ist, dann dafür, dass er sich gerne kurz fasst und für große Gesten nicht viel Zeit braucht. Seine beiden bisherigen "Alben" haben jeweils eine durchschnittliche Länge von zehn Minuten, was selbst für die rotzigste Grindcore-Gruppe echt nicht viel ist und so wie es bisher aussieht, scheint Molina daran auch nichts ändern zu wollen. Das Puppenhaus-LP-Format ist über die Jahre neben den schlichten Graustufen-Artworks sein wichtigstes Stilmittel geworden und stellt ihn unter seinen Zeitgenoss*innen heraus. Was aber noch viel wichtiger ist: Dieser Typ tut gut daran, das so beizubehalten, denn in der Kürze liegt in seinem Fall tatsächlich die Würze. Es ist das große Talent des Musikers, unglaublich viel kompositorische Klasse in Stücke von ein bis zwei Minuten zu packen, die, wären sie länger, sicherlich unter klanglicher Überzuckerung leiden würden. Selten wünscht man sich bei ihm, dass ein Track oder eine Platte länger wäre, da man bereits in der wenigen Zeit, die geboten wird, so viel mitnehmen kann wie bei wenigen seiner Kolleg*innen. Und an dieser Stelle finde ich es gerade schade, dass Tony Molina ewig nur als der "Zehn-Minuten-Mann" angesehen wird. Denn tatsächlich ist er nichts anderes als einer des besten klassischen Songwriter der letzten Jahre, der in meinen Augen ziemlich unterschätzt wird. Und gerade auf seinem neuesten Werk Kill the Lights merkt man das so deutlich wie nie, da er sich inzwischen auch anschickt, richtige Popmusik zu schreiben. In Relation zu seinen garagigen Anfängen auf Dissed & Dismissed vor vier Jahren ist das hier wirklich ein sehr harmonisches Projekt, das sich vor allem in der Vergangenheit wohlfühlt. Viele Ansätze hier erinnern unglaublich an Acts wie Simon & Garfunkel, die Hollies, Hermann's Hermits oder die ganz frühen Bee Gees, den dicken Mainstream-Kram der Sechziger also. Und wer solche Musik schreiben will, der braucht meiner Meinung nach Ahnung von Arrangements. Als Band ist das eine Sache, doch Tony Molina arbeitet auch hier wieder größtenteils allein und spielt unter anderem Gitarre, Bass, Klavier und Orgel ein. Keines der Instrumente ist dabei ein bloßes Begleitinstrument, sondern alle haben ihren Platz und erfüllen eine Aufgabe, ohne die höchstwahrscheinlich der gesamte Song nicht funktionieren würde. Sicher, ein paar der Tracks sind auch ganz minimalistisch mit Akustikgitarre eingespielt, doch auch da wirkt diese Entscheidung äußerst bewusst. Ganz davon zu schweigen, dass Molina kein teures Label-Backing und großartige Studio-Magie zur Verfügung hat wie viele Künstler*innen in den Sixties. Dennoch strahlt Kill the Lights mit einem fantastischen Sound und makelloser Abmischung (wahrscheinlich alles analog), die das letzte aus den selten über siebzigsekündigen Stücken rausholt. Stücke, die in insgesamt einer guten Viertelstunde hier ein wahres Pop-Feuerwerk abbrennen, das man in dieser Pracht doch recht selten hört. Und auch wenn es wieder mal sehr kurz ist, bedeutungstechnisch hat das hier auf jeden Fall den Wert eines Albums und gehört um Gottes Willen nicht EP geschimpft. 2018 ist nun schon einmal das Jahr der kurzen Langspielplatten, da wird es Zeit, auch endlich mal das Recht für Tony Molina einzufordern, der diese Idee nicht nur schon viel länger, sondern auch noch radikaler und besser betreibt als jeder Kanye West dieser Welt.






Persönliche Highlights: Nothing I Can Say / Wrong Town / Now That She's Gone / Give He Take You / When She Leaves / Look Inside Your Mind/Losin' Touch / Outro

Nicht mein Fall: -

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