Donnerstag, 30. August 2018

Live to Rise




















Zu Unrecht gelten Alice in Chains (zumindest außerhalb der ewig nostlagischen Hardrock-Szene) inzwischen wieder als eine eher unspektakuläre Bands, wenn es um die Weiterführung der Traditionen des Neunziger-Rock geht. Nicht nur, weil sie als künstlich wiederbelebte Formation eine der wenigen verbliebenen noch aktiven Veteranen-Crews der Grunge-Bewegung ist, sondern vor allem auch deshalb, weil sie vor etwa zehn Jahren die ersten waren, die sich an ein Revival des ganzen Blödsinns trauten, was ja rückblickend gar nicht mal so einfach ist. Denn selbst über zwei Dekaden nach den Heydays des Subgenres hört dieses Thema nicht auf, unglaublich emotional zu sein. Erst vor wenigen Jahren sind mit Scott Weiland und Chris Cornell zwei weitere Größen des Movements gestorben, einer durch Drogen, einer durch Suizid. Es sieht also immer noch nicht so aus, als würde über so schnell Gras über die Sache wachsen. Und wenn davon jemand ein Lied singen kann, dann sind das definitiv Alice in Chains. Ihr erster Sänger Layne Staley, der 2002 starb, ist neben Kurt Cobain vielleicht das "berühmteste" Opfer des Grunge-Lifestyles und nach wie vor ein Thema, an dem man bei dieser Band nicht vorbeikommt. Umso erstaunlicher, dass gerade sie es waren, die bereits 2009 ein Comeback mit neuem Frontmann und neuem Album wagten und damit für kurze Zeit eine kleine Wiedergeburt ihres Genres verursachten, die unter anderem die Reunion von Soundgarden und den Stone Temple Pilots nach sich zog. Und ganz davon abgesehen sind sie sicherlich auch die Band, die in dieser Zeit insgesamt die solideste Musik gemacht hat. Zwei neue Alben gab es seit der Wiedervereinigung, von denen zumindest eines, nämlich the Devil Put Dinosaurs Here von 2013, es durchaus schaffte, an den Neunziger-Output unter Staley heranzukommen und dabei stilistisch trotzdem nach vorn zu schauen. Im Klartext heißt das, dass Alice in Chains inzwischen zwar Dadrock spielen, aber auch eine sehr genießbare Version davon. Wobei Rainier Fog absolut keine Ausnahme darstellt. Diese vier Musiker haben es geschafft, eine Art von Grunge-Songwriting zu etablieren, dem stromlinienförmige HiFi-Produktion absolut nichts anhaben kann und das sowohl die eingeschworenen Szene-Ultras von früher befriedigen kann als auch die Laufkundschaft, die gerade den Metal Hammer liest. Dabei hört sich die Platte auch kein bisschen nach Kompromisslösung an. Sicher, besonders kratzbürstig und fies klingt das hier alles nicht mehr, was aber für eine Gruppe, die durchschnittlich 50 Jahre alt ist, auch quatsch wäre. Alice in Chains spielen sehr harmonischen und schöngeistigen Hardrock (mit gelegentlicher Tendenz zum Classic Rock), der - und das ist wichtig - ihnen großen Spaß zu machen scheint. Was sie von Routiniers wie Bush, Filter oder (Gott bewahre!) Nickelback unterscheidet, ist die Leidenschaft, mit der sie sich nach wie vor in kleine Details wie den sehr häufigen Satzgesang oder Klavierpassagen reinbohren und diese Platte damit irgendwie schon zu einem kleinen Erlebnis machen. Nicht falsch verstehen: Rainier Fog wird weder mein Album des Jahres werden noch für ein erneutes Grunge-Revival sorgen, es zeigt lediglich eine sehr souveräne Band, die sich auf ihre alten Tage nicht in Götzenverehrung oder Fanservice zurückzieht, sondern die Art von Musik macht, die sie spielen möchte. Das ist nicht sensationell, aber zumindest auch nicht übel. Und gemessen daran, was wir in den letzten Jahren so von Leuten wie Pearl Jam, den Stone Temple Pilots oder Dave Grohl hören mussten, ist das hier schon relativ hochwertig. Ich habe also durchaus einen Grund dafür, Alice in Chains auch 2018 noch interessant zu finden. Wobei ich auch weiß, dass viele von euch das auch tun. Mit diesem Post will ich eigentlich nur sagen: Dieses Interesse ist weiterhin gerechtfertigt.






Persönliche Highlights: the One You Know / Red Giant / Fly / Drone / Maybe

Nicht mein Fall: Deaf Ears Blind Eyes

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