Samstag, 7. März 2020

Gute Zeiten, schlechte Zeiten

 
[ bipolar ]

Ich finde es ehrlich gesagt schade, dass Princess Nokia auf diesem Format so ein gebranntes Kind ist, denn eigentlich ist das ganze im Nachhinein ein bisschen unfair. Dass der bis dato einzige Artikel, den ich über sie geschrieben habe ausgerechnet ein ekelhafter Verriss ihres 2018 veröffentlichten Mixtapes A Girl Cried Red ist, der mit dem historischen Score von einem von elf Punkten nur einer von zweien seiner Art ist (den anderen bekamen im gleichen Jahr Voivod), war so überhaupt nicht geplant. Sicher, die besagte Platte ist absolut furchtbar und ich will sie definitiv nie wieder hören müssen, aber man muss das natürlich auch im Kontext betrachten. A Girl Cried Red war damals der Versuch der Künstlerin, als Quereinsteigerin in den aufstrebenden Emotrap-Trend einzusteigen, was sie einfach nicht besonders gut umsetzte. Es war ein Ausfall der Sorte Rebith von Lil Wayne oder Scream von Chris Cornell, bei dem sich jemand ganz einfach an einem völlig unmöglichen Crossover versuchte, das allein deshalb so scheiße war. Weshalb ich an dieser Stelle nochmal dazu anhalten möchte, sich von diesem Post nicht meine allgemeine Meinung über Princess Nokia abzuleiten. Denn obwohl ich bisher noch keine ernsthaft überzeugende Platte der New Yorkerin gehört habe, ist sie in meinen Augen wenigstens eine der abenteuerlichsten jungen Rapperinnen der letzten Jahre, die stilistische Risiken wie A Girl Cried Red eben auch nicht scheut. Im Gegenteil: Manchmal habe ich bei dieser jungen Frau sogar das Gefühl, dass sie mit sehr unwirscher Euphorie abstruse Albumprojekte angeht, die für viele ihrer Kolleg*innen schwierige Unterfangen darstellen würden, die lange ausformuliert gehören. Wobei ihr neuestes Tape-Doppel Everything Sucks und Everything is Beautiful das vielleicht bisher am besten zeigt. Die Theorie dahinter ist dabei ebensowenig kompliziert wie strukturell neu: Auf jeweils einer halben Stunde Album segregiert Princess Nokia hier positive und negative Emotionen ihrer Songs, was die beiden Titel simpel erklären dürfte und ein Konzept ist, das von den Underachievers über Weezer bishin zu Mono schon jede Menge Leute ausprobiert haben. Die Frage ist also, was das besondere an dieser neuen Umsetzung ist. Und die erste Enttäuschung kommt direkt an dieser Stelle: Eigentlich nichts so richtig. Abgesehen von den lyrischen Inhalten der Tracks, einer sehr separierten musikalischen Ausrichtung (harter Trap auf Everything Sucks, Boombap auf Everything is Beautiful, wahnsinnig originell) und den nach GNTM-Challenge aussehenden Covermotiven gibt es nichts, was die kreative Aufteilung der LP künstlerisch rechtfertigt oder weiterführt. Das macht die eigentliche Sache natürlich direkt ein bisschen weniger interessant. Was hingegen äußerst spannend ist, ist die Beobachtung, wie Princess Nokia sich hier stilistisch entwickelt und was in ihrem weitläufigen Sound-Sammelsurium hinhaut und was nicht. Und zumindest ich gewinne an dieser Stelle deutliche Befunde, da qualitativ eine doch sehr gewaltige Kluft zwischen den beiden Tapes klafft. Die gute Nachricht dabei: Die New Yorkerin ist scheinbar dann die bessere Musikerin, wenn sie auch mental im positiven Bereich ist. Von den beiden konträren Eindrücken, die ich hier bekomme, ist Everything is Beautiful in fast jeder Beziehung der überzeugendere. Schon allein deshalb, weil er klanglich aufwändiger erscheint. Princess Nokias kleiner Ausflug in Richtung Soul und R'n'B, in dem sie auch viel über kulturelle Herkunft und Familie spricht, bringt sie hier mit einigen Gastmusiker*innen zusammen, die ein paar ziemlich coole Instrumentals basteln und Songs wie Blessings oder Heart echte Tiefe verpassen. Vieles erinnert dabei an Leute wie NoName oder Solange, mitunter sogar Erykah Badu oder Andre 3000. Zwar ist sie auch hier kompositorisch noch nicht ganz ausbalanciert und manche Texte sind leider etwas platte Allgemeinplätze, aber trotzdem: so gut wie hier klang sie in meinen Augen noch nie. Was im krassen Unterschied zum kreativen Gegenpol Everything Sucks steht. Dass die andere Hälfte der LP ein Stück besser ist als das unsägliche A Girl Cried Red vor zwei Jahren ist letztendlich der größte positive Faktor, die ich der Sache abgewinnen kann. Abgesehen davon ist das hier eine ähnlich billige Promenadenmischung und von der künstlerischen Leistung her keine Entsprechung zu Everything is Beautiful. Die extrem generischen Trap-Beats sind grauenvoll produziert und klingen völlig unkreativ, was nur noch durch die Performance von Princess Nokia übertroffen wird. Textlich ist diese ähnlich unbefriedigend wie auf dem Konterpart, allerdings kommt hier noch ein ziemlich affiger Flow dazu, der schnell ziemlich peinlich werden kann. Auch wenn im Closer Just A Kid versucht wird, biografisches Storytelling einzubauen, geht das komplett nach hinten los und pendelt sich irgendwo auf mittelmäßigen Danielle Bregoli-Niveau ein. Lichtblicke gibt es immer nur dann, wenn die Platte kleine New Metal-Versatzstücke einbezieht, was aber auch eher zaghaft passiert und durchweg sehr inkonsequent bleibt. Und ich Frage mich mittlerweile tatsächlich, warum Princess Nokia gerade diesen Sound dann trotzdem immer wieder forciert, wenn er doch zum wiederholten mal so schlechte Ergebnisse erzielt. Wobei sie den Blumentopf am Ende sowieso weder mit der einen noch mit der anderen Albumhälfte wirklich gewinnt. Sicher, es gibt hier an einigen Stellen Verbesserungen, aber noch immer habe ich ganzheitlich den Eindruck, dass diese Künstlerin nicht ansatzweise so interessant ist, wie sie scheint. Das Konzept dieser beiden Platten ist bestenfalls durchschnittlich, die Musik ist selbst in ihren besten Momenten nur ein Schatten besserer Vorbilder und textlich habe ich sogar den Eindruck, dass Princess Nokia schlechter wird. Ein solcher Totalausfall wie A Girl Cried Red ist das hier ganz bestimmt nicht, aber das Ding hatte vor zwei Jahren wenigstens eine stilistische Aussage. Das vorliegende Material hingegen ist reines Gimmick-Gehabe und letztendlich absolut nichts, was diese Frau künstlerisch voranbringt. Und da ist mir ein kolossales Scheitern mit Pauken und Trompeten ehrlich gesagt doch lieber als dieser Wischiwaschi-Mist.

Everything Sucks

Everything is Beautiful


Klingt ein bisschen wie
Denzel Curry
Ta13oo

the Underachievers
Evermore: the Art of Duality


Persönliche Höhepunkte
Everything Sucks
Crazy House | Gross
 Everything is Beautiful
 Green Eggs & Ham | Happy Place | Wash & Sets | Gemini | Blessings | Heart

Nicht mein Fall
Everything Sucks
Harley Quinn | I Like Him | Just A Kid
 Everything is Beautiful
Soul Food y Adobo

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