Dienstag, 31. März 2020

Sweet Home Alabama

 [ harmonisch | melancholisch | amerikanisch ]

Wenn es nach mir ginge und ich mich auch nur ein bisschen beherrschen könnte, dann wäre meine letzte Besprechung einer Platte von Katie Crutchfield mittlerweile schon ungefähr fünf Jahre her und ich würde mich eines Lebens erfreuen, in dem ich vielleicht ein paar Stunden mehr Freizeit gehabt hätte, um über andere Künstler*innen zu schreiben. So wie es aber realistisch aussieht, ist die Songwriterin aus Alabama jemand, von dem ich auf Biegen und Brechen nicht los komme und das, obwohl ich den Großteil ihrer momentan existierenden Diskografie bestenfalls durchschnittlich finde. Seit 2014 gibt es von Crutchfield ein sehr okayes Album nach dem anderen und wo ich am Anfang noch das Potenzial einer Newcomerin sah und mit viel Eigeninteresse dabei war, ist es in der Zwischenzeit eine Mischung aus morbider Neugier und Anfragen von Lesenden gewesen, die mich immer wieder und immer widerwilliger zu ihr zurückspülte. Und weil das so ist, will es natürlich auch das Schicksal, dass just nach meinem Beschluss, Waxahatchee in Zukunft nicht mehr so viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ihr bisher erfolgreichstes Album erscheint. Und ich spreche dabei von krassen Relationen, denn obwohl Crutchfield schon immer ein Liebling der Kritik war und zumindest ihre erste Platte einer dieser Geheimtipps war, die am Ende jede*r kannte, findet das Feedback gegenüber Saint Cloud doch auf einem komplett neuen Level statt, das mich ernsthaft überrascht hat. Seitdem die LP am letzten Freitag erschien, bezeichneten sie mindestens zwei sehr prominente Musikplattformen als bisher bestes Album des Jahres und zahlreiche mehr warfen mit Höchstpunktzahlen um sich. Was mich ob solcher Euphorie dann doch wieder dazu brachte, mir das hier mal anzuhören. Und zu einem gewissen Punkt kann ich zumindest verstehen, warum man das hier mögen könnte. Denn von allem, was Crutchfield bis hierhin veröffentlicht hat, ist Saint Cloud mit Sicherheit das rundeste, harmonischste und eingängigste Gesamtwerk, das für die Songwriterin einen weiteren Stilwandel bedeutet. Nach ihren Stationen im Garagen-Indierock und Kammerpop erfindet sich Waxahatchee hier ein weiteres Mal neu, diesmal als erwachsenes Country- und Americana-Projekt mit starkem Neunziger-Bezug, was einer gewissen Zielgruppe immer gut ankommt. Für die gefällige Kulturradio- und Feuilleton-Crowd, die seit jeher was für Leute wie Norah Jones, Alanis Morisette und Sharon van Etten übrig hatte, trifft der Sound dieser LP wahrscheinlich genau ins Schwarze, denn er bietet eine Form von Indiemusik, die sich intelligent und organisch anfühlt, dabei aber selten klanglich herausfordernd ist und immer schön im sicheren Easy Listening-Spektrum bleibt. Saint Cloud ist kompositorisch klar, hochwertig produziert und in gleicher Weise reif und unschuldig, was bedeutet, dass man hier eigentlich wenig falsch machen kann. Doch gerade an dieser Stelle gehen bei mir die Alarmglocken los. Denn eben jene Eigenschaft, dass diese Platte so erhaben und harmonisch ist, macht sie in meinen Augen an vielen Stellen ein bisschen belanglos. Klar ist das Songwriting gut und dass Crutchfield hier diese vorsichtige Country-Richtung einschlägt, hilft ihr auf jeden Fall, doch sind viele Songs inhaltlich weiterhin sehr abgeflacht und die Performances darauf ziemlich langweilig. Die meisten Stücke wirken irgendwie emotional aufgeladen, in den wenigsten merkt man das aber daran, wie die Künstlerin sie vorträgt und dass sie teilweise so eingängig sind, macht sie zumeist eher oberflächlicher als deeper. Es gibt hier natürlich einige echt gute Tracks und ganz generell ist Saint Cloud in keinster Weise peinlich oder so, nur fehlt an vielen Stellen die Persönlichkeit, die bei solcher Musik wichtig ist. Und das ist gerade auch der Grund, warum Waxahatchee eben nicht so ist wie Sharon van Etten oder Marissa Nadler. Weil die es auf ihren Alben hinbekommen, trotz der gefälligen Wärme ihres erhabenen Americana-Sounds echte Schwermut und Emotionalität zu verarbeiten, was Crutchfield irgendwie nicht so sehr gelingt. Bei ihr gibt es nur den molligen Vibe, und der ist für meine Begriffe noch immer der Todfeind ernst gemachter Countrymusik. Zugegeben, es gibt wenige Platten, auf denen die lauwarme Leere dieser Ästhetik so gut klingt wie hier, aber es geht da auch ein bisschen ums Prinzip. Was unterm Strich bedeutet, dass Saint Cloud ein weiteres Waxahatchee-Album ist, mit dem ich meine Zeit verschwendet habe. Und dabei gibt es sicher Leute, die sehr viel lieber etwas über Partynextdoor gelesen hätten. Tja, dumm gelaufen, Freunde.



Hat was von
Andy Shauf
Neon Skyline

Sharon van Etten
Are We There?

Persönliche Höhepunkte
Can't Do Much | Witches | War | Arkadelphia | Ruby Falls | St. Cloud

Nicht mein Fall
Hell

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