Montag, 2. März 2020

Damn Daniel

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Wie ich feststellen musste, ist es Stand 2020 mittlerweile sehr einfach geworden, im Daniel Snaiths Musik wesentlich mehr zu sehen als an der Sache eigentlich dran ist. Zumindest unter Angehörigen meiner Generation, die noch nicht so richtig dabei waren, als er primär noch unter dem Namen Manitoba veröffentlichte und rückblickend seine besten Platten machte, ist der Typ mittlerweile mit einer Art Mythos verbunden, der rational nicht so richtig zu erklären ist. Klar hat es seine Berechtigung, dass er gemeinsam mit Projekten wie Four Tet, Modeselektor oder Hot Chip zu den bekanntesten Vertretern des Indietronic in den Zwotausendern gilt, aber alles was danach war, hat damit eigentlich herzlich wenig zu tun. Und das gilt insbesondere für die meiste Musik, die Snaith seit 2005 unter dem Pseudonym Caribou in die Welt trägt. Sicher, so viele total furchtbare Dinge waren unter diesen bisher sieben Longplayern auch nicht vertreten, allerdings empfinde ich die ganze Sache irgendwie nur noch als Schatten ihrer selbst oder zumindest die Art von Nimbus, die dieses Projekt in den letzten zehn Jahren damit herumträgt, als seltsam. Dass sich der Kanadier seit 2010 zudem unglaublich rar gemacht hat und nur alle Paar Jubeljahre ein neues Release in den Äther wirft (meistens unter einem eher unbekannten Pseudonym und ohne jegliche PR), hat diesen Mythos zusätzlich angefacht, sodass jede WG-Party inzwischen auf Knien rutscht, wenn Odessa gespielt wird. Zugegeben, auch ich war lange dem Eindruck verhaftet, Caribou wäre eine wesentlich größere Nummer als er eigentlich ist, doch nachdem ich seine Alben während der letzten Dekade als kontinuierlich schwächer empfand, muss das meiner Meinung nach nicht mehr sein. Und da sich nun auch seine neueste Kreation Suddenly als gerade Mal sehr okayes Stück Musik herausgestellt hat, ist es definitiv angebracht, diesem Projekt mit etwas weniger Vorschuslorbeererei zu begegnen. Wobei das nicht gleich heißt, dass ich seine Musik scheiße finde. Auch fast 20 Jahre nach seinem kreativen Höhepunkt hört man hier in Ansätzen immer noch den cleveren und unglaublich verschnickten Sound-Tüftler, der einst Hochkaräter wie Up in Flames oder Start Breaking My Heart machte und der vor allem in Sachen Sampling nach wie vor unglaublich talentiert ist. Tracks wie Never Come Back, Ravi, Home oder Sunny's Time zeigen auch auf diesem Album, dass Snaith ein Mann für Hits ist, nur dass diese mittlerweile etwas sauberer und clubbiger ausfallen aus damals. Die Art und Weise, wie er mit Ausgangsmaterial arbeitet und daraus neues schafft, ist unglaublich eigenwillig und kreativ und hebt ihn hier von Leuten wie den Avalanches oder den Books sehr deutlich ab. Nur wird leider auch klar, dass der Künstler in solchen Songs mittlerweile definitiv nicht mehr seine eigentliche Herausforderung sieht. Schon auf Caribous letzter Platte Our Love von 2014 tauchte gelegentlich ein etwas klassischeres Gesang-und-Begleitung-Songwriting auf, das elektronische Elemente eher als Stilmittel benutzte und wesentlich zurückhaltender und minimalistischer war und das hier den dominanten Part übernimmt. In so gut wie allen Stücken singt Snaith inzwischen selbst (was er in meinen Augen leider nicht so gut kann) und sucht seine Erfüllung in entrückten Popsongs. Das kann durchaus funktionieren, wie im psychedelischen Magpie oder im extrem an Peter Gabriel erinnernden Closer Cloud Song, das sind aber doch eher die Ausnahmen. In den meisten der Tracks tritt vor allem der Gesang eher als Störfaktor in ansonsten toll komponieren Stücken auf, der wenig beizutragen hat und klanglich mitunter nur schlecht passt. Ich will damit nicht sagen, dass Suddenly besser als instrumentale LP gewesen wäre, doch tat Snaith bereits in der Vergangenheit gut daran, sich für solche Aufgaben die richtigen Gäste einzuladen. Und wie man im verschwurbelten Rap-Sample von Sunny's Time sieht, entstehen daraus auch hier die unterhaltsamsten Momente dieser Platte. Mein Problem hier ist aber auch nicht, dass es keine coolen Motive oder schmissige Songs geben würde, viel eher kommt mir Caribou hier zum wiederholten mal sehr planlos vor. Suddenly hat gute Einzeltracks, doch geht das alles klanglich in zig verschiedene Richtungen, von denen keine wirklich konsequent ausgeführt wird. Mal will das Album Kammerpop sein, mal Bon Iver-mäßiger minimalistischer Elektro-R'n'B und an anderen Stellen wird der übliche Stiefel gespielt. Und genau hier weiß ich dann nicht, was ich von dieser Inkarnation des Daniel Snaith halten soll. Mir ist klar, das er sich künstlerisch weiterentwickeln will und dass dafür klangliche Veränderungen stattfinden müssen, doch anscheinend konnte er sich innerhalb der letzten sechs Jahre nicht entscheiden, wie diese genau aussehen sollen. Das Resultat: Sein Quasi-Comeback klingt fahrig, unfertig und ziemlich durchwachsen. Und wenn das inzwischen so kontinuierlich der Fall geworden ist, muss ich diesen Typen auch wirklich nicht mehr als großen Säulenheiligen des Elektropop verkaufen. Das machen Andere inzwischen wesentlich besser.



Klingt ein bisschen wie
Four Tet
New Energy

Air
Moon Safari

Persönliche Höhepunkte
Sunny's Time | New Jade | Home | Never Come Back | Ravi | Cloud Song

Nicht mein Fall
You & I | Filtered Grand Piano | Like I Loved You


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