Dienstag, 17. März 2020

Pool hinter Plexiglas

 [ seicht | unterkühlt | jammerig ]

Man muss Aaron Maine eines echt lassen: Innerhalb der letzten halben Dekade hat er es geschafft, seine ehemaliges Bandcamp-Schlafzimmerprojekt Porches zu einem der in meinen Augen schicksten experimentellen R'n'B-Acts der vergangenen Jahre zu machen und zwei ziemlich gelungene Alben damit zu veröffentlichen. Innerhalb seiner musikalischen Nische ist er damit einer der wenigen Leute, zu denen ich immer wieder gerne zurückkehre und die mich bisher auch nie wirklich enttäuscht haben. Insbesondere sein 2016 veröffentliches Domino-Debüt Pool ist, was mich angeht immer noch ein absolut sträflich unterschätztes Artpop-Produkt und eine meiner definitiven Lieblingsplatten des letzten Jahrzehnts. Von hier ab entwickelte Maine eine sehr eigenwillige und ästhetisch hochwertige Mischung aus unterkühltem Post-R'n'B, Vaporwave-Versatzstücken, Achtziger-New Wave und einem Hauch Indiepop, den er seitdem ständig ausbaut. Wobei 'zurückbaut' in seinem Fall vielleicht der treffendere Begriff wäre, denn seit 2016 ist die Musik von Porches vor allem dünner und minimalistischer geworden. Bereits sein zweites kommerzielles Album the House von 2018 verließ zusehends die sommerlich-synthige Welt seines Vorgängers zugunsten eines elektronischeren und kälteren Sounds, und was wir wiederum zwei Jahre später auf Ricky Music erleben, setzt diesen Trend konsequent fort. Mit einer Spieldauer von gerade Mal 25 Minuten und einem noch spärlicherem und kargerem Klanggerüst als die letzte Platte liegt sogar der Vorwurf nahe, dass das hier eine ziemlich faule LP ist. So zumindest war mein Eindruck, als ich dieses auf seine wesentlichen Bestandteile reduzierte Songwriting zum ersten Mal hörte und mich mit Maines sehr simpel gestrickten Kompositionsmustern auseinandersetzte. Von der schmissigen, subtilen Groovyness von Pool ist Ricky Music zu großen Teilen sehr weit entfernt und auf den ersten Blick wirken viele Stücke hier etwas pretenziös, pseudo-emotional und lahmarschig. Es ist, als hätte der Künstler hier einfach keinen Bock mehr auf seine eigene Musik und würde sich schrecklichen Qualen aussetzen, um wenigstens diese knappe halbe Stunde hier vollzukriegen. Und ich will auch nicht beschönigen, dass diese Platte tatsächlich ein klein wenig schwächer ist als ihre beiden Vorgänger und ihr entweder der richtige Plan oder die richtige Leidenschaft fehlen. So schlimm wie zunächst angenommen ist es aber dann auch wieder nicht. Klar ist Ricky Music zurückgenommen, aber gerade mit solcher Musik überzeugten Porches zuletzt auch immer wieder und nach einigen Durchläufen, die ich dem Album nun gegeben hatte, zeigt sich zumindest teilweise wieder der alte Aaron Maine. Songs wie Patience, Madonna oder Hair klingen wie einige Tracks von Pool hinter Plexiglas, die zwar nur schemenhaft zu erkennen sind, aber trotzdem klar zu identifizieren. Es reichen wenige Stilmittel wie die herrlich warmen Synths, die digitale Cowbell in Do U Wanna oder einfach nur Maines Gesang, um das Gefühl einer Porches-LP zumindest sehr effektiv zu skizzieren. Und manchmal ist es lediglich ein kleiner Backbeat, eine Bassline oder eine vernünftige Hook, um aus losen Schemen doch noch einen veritablen Song zu machen, der bisweilen sogar eingängig ist. Wobei man manchmal sogar beobachten kann, wie der Künstler von dieser absoluten Grundlagenmusik in neue Richtungen steuert. So erinnert Madonna mit seiner fast technoiden Ästhetik zeitweise an Charli XCX oder PC Music, Fuck_3 hat ein sehr collagenartiges Experimentalpop-Ding am Laufen und was PFB so richtig vor hat, weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Und so hat Ricky Music am Ende in gewissen Punkten auch sehr den Charakter einer Ausprobier-Platte, vielleicht sogar einer Resterampe. Porches doktern hier an neuen Ideen herum, setzen das Songwriting in frische Perspektiven und verarbeiten vielleicht auch ein paar Sachen, die auf den letzten beiden Platten hintenüber gefallen sind. Klar ist so eine Platte dann eher kein Meisterwerk, aber es kann trotzdem richtungsweisend sein und den nötigen Anlauf für ein größeres Projekt geben, das nachher umso besser wird. Und obwohl ich hier gerade noch nicht wirklich sehe, wohin die Reise bei Aaron Maine gehen soll, bin ich doch weiterhin gespannt darauf. Denn wer mich sogar mit so einem Wurstgewitter positiv überraschen kann, der hat definitiv Talent.



Hat was von
070 Shake
Modus Vivendi

Dirty Projectors
Dirty Projectors

Persönliche Höhepunkte
Patience | Do U Wanna | Lipstick Song | Madonna | Rangeover

Nicht mein Fall
PFB | I Can't Even Think


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