Montag, 28. Mai 2018

Rapperdämmerung




















Den XXL Freshmen und World Star Hiphop ist es zu danken, dass der Generationswechsel im Rap mittlerweile schneller geht als das Bullshit-Bingo auf dem Twitter-Account von Kanye West. Gerade noch waren die MCs von Soundcloud wie Lil Uzi Vert und Lil Pump der neueste Shit, mittlerweile sind diese schon lange wieder abgelöst. Und wer weiß, ob so Leute wie Scarlxrd und Ski Mask the Slump God nicht inzwischen auch schon von gestern sind. Ein Playboi Carti, der nach allen vernünftigen Maßstäben eigentlich noch immer sowas wie ein Newcomer ist, ist dabei in diesen Verhältnissen schon ein altes Eisen. Mit einer Karriere, die inzwischen schon sagenhafte drei Jahre andauert und zwei ganze Mixtapes umfasst, ist der Künstler aus Atlanta ein kleiner Trap-Veteran, der schon in der grauen Vorzeit vor dem Soundcloud-Hype aktiv war. Mit Die Lit kommt jetzt sogar sein erstes richtiges Album, was eigentlich der endgültige Schritt ins kommerzielle Establishment ist. Und so blöd das klingt, man hört das hier irgendwie. Wobei das weniger daran liegt, dass diese Platte hier plötzlich besser produziert wäre (was sie nicht ist) oder Carti hier illustre Gäste wie Skepta, Lil Uzi Vert, Travis Scott oder Nicki Minaj eingeladen hat. Viel eher zeigt sich an diesem Longplayer, dass irgendwo zwischen ihm und dem Traprap von 2018 tatsächlich ein Generationswechsel stattgefunden hat, und zwar ein durchaus wichtiger. Es hat nur diese LP gebraucht, um ihn zu entlarven. Wenn man nämlich dieses Album in der Erwartung hört, hier "modernen" Hiphop zu hören, wird man schnell feststellen, dass dieser Typ hier irgendwie ein bisschen den Anschluss verloren hat. Playboi Carti rappt 2018 doch tatsächlich noch über abgehangene Themen wie Geld und Erfolg, wo doch jeder Idiot weiß, dass das inzwischen schon lange nicht mehr die dominanten Themen der Szene sind. Wäre er gut beraten gewesen, hätte er die Plattform seines offiziellen Debüts genutzt, eine Stunde seinen Drogenkonsum und die daraus folgenden Depressionen zu glorifizieren. Dazu hätte er nicht mal die ganzen fancy Beats und diese Opas von Featured Artists gebraucht. Nein, aber mal im Ernst: Ich hatte mich hier ehrlich gesagt ein bisschen gefreut, einen Künstler zu hören, der in seinem bisherigen Output immerhin ein Mindestmaß an Kreativität zeigte und sein Erstlingswerk erschien mir wie eine Riesenchance für ihn. Im besten Fall hätte das hier ein ähnlich positive Überraschung werden können wie letztes Jahr das Debüt von Vic Mensa. In meinen Augen hätte Carti das durchaus drauf gehabt. Stattdessen entscheidet er sich hier dafür, eines der nervigsten Rap-Alben des ganzen Jahres zu aufzunehmen. Und in dieser Hinsicht ist Die Lit wirklich beeindruckend: Statt wie ein Lil Yachty einfach langweilig zu sein oder wie Travis Scott mit jeglichen Fan-Erwartungen zu ficken, geht dieser junge Mann hier den Weg des schamlos-auf-den-Sack-gehens. Die 19 Tracks auf dieser Platte sind nicht einfach nur schlecht, sie sind allesamt auch noch furchtbar nervtötend. Die Beats sind furchtbar schrill, Cartis Stimme ist grauenvoll gemixt, die Monotonie der Stücke vollkommen unnötig und kompositorisch ist hier absolut tote Hose. Sicher, vieles davon waren schon immer wichtige Elemente seines Sounds, aber ich hatte gehofft, auf dem Albumdebüt würde er wenigstens etwas mehr anziehen. Tatsächlich klingt das hier wie das faulste, an einem Nachmittag komplett geschriebene und aufgenommene Projekt der Trap-Geschichte, an dem alles mit halber Kraft gemacht wurde. Es gibt kein Feature hier, das nicht vollkommen leidenschaftslos wäre (mein persönliches Highlight ist der herrlich willenlose Part von Nicki Minaj auf Poke It Out) und man kann nicht mal sagen, dass Carti selbst sich hier wesentlich mehr Mühe geben würde. Sein Flow ist lahm, seine Lyrics eigentlich nicht vorhanden und der in der Szene-Mythologie so oft angesprochene "Vibe" ist hier zu einer schlecht gepitchten Snoop Dogg-Parodie verkommen. So eine Platte dann auch noch bei einem Label abzugeben und zu verkaufen, braucht schon echt Mut. Aber das ist noch so ein Problem: Die Industrie als kritische Instanz fällt in diesem Fall mal wieder komplett aus. Weil die A&Rs diese Kids von heute sowieso mal wieder nicht verstehen, die aber diese komische Musik zu mögen scheinen, wird einfach der größte Rotz verkauft, weil man eben weiß, dass er sich verkauft. Das ist einerseits fruchtbarer Boden für viel Kreativität, aber eben auch Quatsch, wenn es niemand nutzt. Und aktuell ist mein Pessimismus, was die Entwicklung von Trap angeht, mal wieder ziemlich groß. Nicht zuletzt, weil mit Playboi Carti eine der coolsten Wildcards der Szene hier so versagt. Vielleicht liegt es ja doch an den Soundcloudlern, das jetzt hinzubiegen. Zumindest, wenn die so lange am Leben sind.






Persönliche Highlights: Long Time (Intro) / FlatBed Freestyle / No Time / R.I.P. Fredo (Notice Me)

Nicht mein Fall: Lean 4 Real / Love Hurts / Poke It Out / Home / Pull Up

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