Donnerstag, 17. Mai 2018

Sieh's Mal Neo!




















Vielleicht erinnern sich die ein oder anderen: Vor etwas mehr als acht Jahren veröffentlichte ein gewisser Aloe Blacc eine ziemlich erfolgreiche LP namens Good Things, ein softes und poppiges Neo-Soul-Album mit starken Jazz-Einflüssen, das gleichermaßen modern wie traditionell klang. Der junge Musiker hatte definitiv Charakter, konnte aber auch den Mainstream überzeugen, was nicht zuletzt sein Riesenhit I Need A Dollar belegte. 2018 tritt nun sein Kollege Leon Bridges auf den Plan, bei dessen neuer Platte durchaus Verwechslungsgefahr besteht: Nicht nur unterscheiden sich die Titel beider Projekte lediglich durch einen Buchstaben, auch musikalisch treffen sämtliche gerade aufgezählte Parameter auf diese LP zu. Zwar ist Bridges in einem gewissen Klientel der Soul-Szene schon lange kein Neuling mehr, doch für mich persönlich schon. Demzufolge ist Good Thing in meinen Augen so etwas wie der jüngere Klon von Aloe Blaccs Album. Was aber auch alles andere als ein Problem darstellt: Denn der Songwriter macht seinen Job hier mindestens ebenso gut, wenn nicht sogar ein bisschen besser. Schon im Vorfeld der Veröffentlichung fielen mir eine ganze Reihe der als Singles veröffentlichten Tracks sehr positiv auf und diese Platte war auf jeden Fall ein persönlicher Geheimtipp der letzten Monate. Und dass diese Erwartungen in vielerlei Hinsicht auch bestätigt werden, macht Good Things zur heißen Empfehlung meinerseits. Wobei man nicht die falschen Vorstellungen von Leon Bridges haben darf: Weder ist er ein lupenreiner Soul-Purist wie Charles Bradley oder Sharon Jones, der für sich selbst maximale Authentizität fordert, noch ein stilistischer Filter wie Charlie Puth, der sich nur die Elemente herauspickt, die in seine Songs passen. Er ist viel eher irgendwas dazwischen. Seine Hingabe für die alte Schule ist überall deutlich spürbar und viele Ausdrucksformen seiner Komposition sind die gleichen, die auch schon bei Marvin Gaye und Curtis Mayfield funktioniert haben. Dennoch setzt er klar auf eine zeitgemäße Produktion und scheut sich definitiv nicht, Mainstream-Bedürfnisse anzusprechen. Das ist ein wichtiger Punkt, den in meinen Augen besitzen wenige Künstler*innen das Talent, Zeitgeist und Nostalgie so wirksam zu verbinden. Amy Winehouse konnte es, Kali Uchis macht es, Bruno Mars inzwischen nicht mehr und ja...Aloe Blacc eben. Dabei gibt es auch bei Leon Bridges einen weiten Spielraum. Wo die ersten paar Songs der Platte wie Bet Ain't Worth A Hand und Bad Bad News deutlich traditioneller inspiriert sind, schwenkt der Mittelteil deutlich in Richtung Pop aus: Songs wie Forgive You und Lions gehören mit ihren soften Melodien und klaren Klängen unbedingt ins Radio. Und obwohl ich sagen muss, dass mir das "alte Zeug" hier deutlich besser gefällt, kann ich Bridges ein Gespür für gute Mainstream-Attitüde doch nicht absprechen. Gerade Beyond schafft es dabei, einen gewissen Kitsch genau richtig zu dosieren, um an jedes Lagerfeuer zu passen. Ferner zögert der Songwriter auch nie, selbst in die gefälligste Chart-Nummer ein sehr rustikales Instrumentarium einzuarbeiten. Wenn also schon Pop, dann wenigstens richtig. Und Good Thing ist damit sicherlich eines der besseren potenziellen Mainstream-Alben dieses Jahres. Man muss es nur mögen. Und wie man das feststellt, ist ziemlich einfach: Entweder man hört es sich an oder man überlegt, ob man damals das Zeug von Aloe Blacc mochte. Zumindest bei mir hat das funktioniert.






Persönliche Highlights: Bet Ain't Worth the Hand / Bad Bad News / Shy / Beyond / If It Feels Good (Then It Must Be) / You Don't Know / Georgia to Texas

Nicht mein Fall: Forgive You

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