Donnerstag, 24. Mai 2018

Mir geht's gut




















Für eine einzelne Person wie mich, die auch noch andere Verpflichtungen im Leben hat als über Musik zu schreiben, ist es mehr oder weniger unmöglich, über jedes Album zu berichten, das Mark Kozelek veröffentlicht. Allein im letzten Jahr gab es ganze fünf Longplayer des Songwriters und mit der reinen Quantität dieser meist auch über einstündigen Platten ist man schnell überfordert. Deshalb ist es wichtig, die herauszufinden, die am Ende wichtig sein werden, wie zuletzt eben die beiden, die 2017 in meiner Jahresendliste landeten. Dass dieses neue Album ein wichtiges ist, dafür sprechen einige Dinge. Denn nicht nur ist es sein erstes im Jahr 2018, das erfahrungsgemäß immer ein spezielles ist, auch hat er das Projekt diesmal nach sich selbst benannt. Und wer Mark Kozelek ein bisschen kennt weiß, dass jemand wie er das nicht einfach so macht. Entweder ist ein solches Album tatsächlich ein sehr intimes und persönliches (was bei diesem Typen eigentlich immer der Fall ist) oder eben ein fetter Mittelfinger in die Gesichter der Fans, die genau das erwarten. Für mich persönlich ist es dabei vielleicht eher letzteres. Denn auch wenn das hier wieder mal eine ziemlich geniale neue Platte ist, wirklich besonders ist sie eigentlich nicht. Im Vergleich zum grantig-rockigen Sound von Common As Light and Love... vom letzten Jahr oder der avantgardistischen Elektronik seiner Partnerschaften mit Jesu ist das klassisch-akustische Singer-Songwriter-Gewand dieser Songs eher gewöhnlich. Und obwohl jede Story, die Mark hier erzählt, noch immer einzigartig und faszinierend ist, gibt es hier eher wenige echte Hammerdinger dabei wie zuletzt He's Bad oder A Dream of Winter. Die literarische Stream-of-Consciosness-Poesie, die hier weiterhin wie gewohnt betrieben wird, findet hier wieder eher so willkürlich statt wie auf Universal Themes von 2015, dem bisher vielleicht chaotischsten Album des Künstlers. Viele der Stücke hier haben unglaublich viele verschiedene Themen und Eindrücke, die scheinbar ohne jeglichen roten Faden zusammengeführt werden. So geht es im zweiten Song Live in Chicago beispielsweise abwechselnd um die Club-Schießerei in Orlando im letzten Mai, Gespräche im Backstageraum, Rückbezüge zu alten Texten und detaillierte Beschreibungen des Caterings. Dies alles findet zwar unter dem Spannungsbogen eines Konzertabends statt, den Mark beschriebt, doch hat der Track nicht wirklich eine Konsequenz, sondern ist nur schön anzuhören. Solche Songs sind nun nicht gerade die Momente, in denen dieser Typ künstlerisch über sich hinauswächst. Aber obwohl das alles für ihn vielleicht bestenfalls mittlerer Standard ist, muss ich trotzdem sagen, dass ich diese LP irgendwie faszinierend finde. Die Faktoren dafür liegen auf der Hand: Mark Kozelek ist einfach ein absoluter Ausnahme-Songwriter und vielleicht ist es gerade diese zurückgenommene Art, die hier jede Menge ausmacht. Durch die spärliche Instrumentierung, die auf fast allen Stücken nur aus einer Akustikgitarre besteht, tritt der inhaltliche Aspekt hier noch stärker hervor und die Platte wird mehr denn je zur begleiteten Lesung. Und wenn es um Texte geht, kann Mark zumindest meiner Meinung nach mittlerweile eigentlich machen was er will, es ist sowieso stark. Mit seiner erzählerischen Art des Songwritings hat er sich eine Nische geschaffen, in der er den krassesten Blödsinn erzählen kann, er berührt mich damit unglaublich. So auch hier, wenn er einfach Momente aus seinem Leben erzählt, sich dabei in andere Personen einfühlt, das schöne im alltäglichen sucht und immer wieder auch findet. Überhaupt ist das einzig besondere an diesem Album im Vergleich zum restlichen Katalog von Mark eigentlich, wie optimistisch er hier ist. Relativ wenig hört man ihn hier über Journalist*innen, junge Autor*innen, Hipster oder andere Bands ablästern, stattdessen fokussiert er sich hier sehr auf sympathische Begegnungen. So beginnt the Mark Kozelek Museum mit der Schilderung eines Dates, 666 Post punktet mit lustigen Tiergeräuschen, diverse Songs setzen sich mit Fan-Gesprächen auseinander und im Opener This is My Town hat er überraschend edle Worte für seine Wahlheimat San Fransisco übrig. In My Love For You is Undying lacht er sogar ganz kurz in seine eigene Gesangsperformance (großartig!). Für die vielbenannte "worst person in music" ist das schon irgendwie niedlich. Und abgesehen von einigen Längen, die diese Platte ohne Frage hat (elf Songs in 90 Minuten) finde ich das hier trotz allem eine ziemlich gelungene LP. Sie ist nicht unbedingt so krass wie einige seiner jüngeren Projekte, doch sie macht die wichtigen Dinge definitiv richtig und setzt das Konzept Mark Kozelek zumindest ganz angenehm fort. Und lenkt das ganze am Ende vielleicht sogar wieder in eine sympathischere Richtung als das in den letzten Jahren der Fall war.






Persönliche Highlights: This is My Town / Live in Chicago / My Love For You is Undying / 666 Post / Young Riddick Bowe / I Cried During Wall Street

Nicht mein Fall: Weed Whacker / Sublime / Good Nostalgia

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