Freitag, 18. Mai 2018

...Und ich sag Nein




















Man hätte es nicht für möglich gehalten, aber 2018 ist Yung Hurn, der Rapper, der immer für Unberechenbarkeit und Innovation im deutschsprachigen Hiphop stand, zur Formel geworden. Seinen Output der letzten Jahre kann man ohne weiteres auf eine handvoll gleicher Parameter reduzieren, die immer gleich kombiniert werden: Chemische Drogen, Oralsex, Arroganz und eine Prise wienerische Subkultur gehören seit Anbeginn seiner Karriere zum Repertoire dieses Typen und waren dabei anfangs die Sachen, die seine Musik so viel cooler als die von allen anderen machten. Mittlerweile hat sich genau diese Ästhetik aber ganz schön aufgebraucht und ist bisweilen nur noch nervig. 2017 hatte der Österreicher mit der Love Hotel-EP noch probiert, diesen Stil mitsamt seiner Botschaften irgendwie in die Welt des Retropop zu retten, aber schon da konnte er eigentlich nur noch die verarschen, die sowieso alles von ihm feiern. Ein Jahr später nun ist 1220 das Zeugnis der absoluten Abnutzung des Konzepts Yung Hurn, auf dem sich die bekannten Elemente nur noch wiederholen. Selbst mit der größten Fan-Hingabe, die auch meinerseits eigentlich besteht, ist es schwer, diesen Tatbestand zu ignorieren. Und das eigentlich traurige dabei ist, dass nicht mal mehr probiert wird, das zu ändern. Zwar wurde für dieses Album mit Stickle ein Produzent engagiert, der über eine starke Handschrift verfügt und der Yung Hurn Beat-technisch in eine wesentlich schickere R'n'B-Richtung transportiert und seinen Job hier auch gut macht, das größte Übel abwenden kann der aber auch nicht mehr. Denn scheinbar ist es der Hauptakteur selbst, der mittlerweile keinen Bock mehr hat. Dass seine Texte schon immer skizzenhaft waren und gewisse Themen darin prominent behandelt werden, ist nichts neues. Doch ist 1220 das erste Mal, dass Yung Hurn darin auf experimentelle und weirde Lyrics verzichtet und dafür lieber abgehangene Plattitüden präsentiert. Krasse Punchlines wie in Opernsänger oder Skkrt Skkrt sind extrem selten geworden, von abgespaceten Freestyles und Ausreißern ganz zu schweigen. Und selbst wenn man dieser LP ihre eigenen Bedürfnisse anlegt und fragt, ob der "Vibe" gut ist, muss ich persönlich das leider verneinen. Richtige Banger gibt es gar nicht, höchstens Du lügst oder Y. HURN wieso? deuten etwas mehr Action an, die allerdings bei anderen Künstler*innen auch nicht als solche durchgegangen wäre. Was den Rest angeht, sind die meisten Tracks eher nölige Trap-Balladen, von denen auch nur wenige funktionieren. Bist du alleine schneidet eine ziemlich coole Hook an, die aber auch besser hätte produziert sein können und Fühlen geht als ganz gute Trettmann-Interpretation durch. Als einzige wirklich tiefschürfende Nummer fällt nur Eisblock auf, in der man Yung Hurn mal ausnahmsweise sehr menschlich und verletzlich erlebt. Auf dem ganzen Album ist das hier definitiv der beste Song. Allerdings auch nur, weil es sonst nicht viel zu holen gibt. Auch wenn Love Hotel schon mittelmäßig war, ist 1220 bisher mit Abstand die schwächste Platte des Wieners und damit auch generell verhältnismäßig schlecht. Was wir hier erleben, ist nicht mehr als die Bestätigung eines bestehenden Klischees über einen Künstler, der sich eigentlich mal dadurch auszeichnete, mit Klischees zu brechen. Und ich dachte eigentlich immer, gerade er wäre zu schlau dafür. Jetzt hat er eben doch die Platte gemacht, die ihm nichts weiter bringt, außer das Koks zu bezahlen.






Persönliche Highlights: Ok Cool / Bist du alleine / Du lügst / Y. HURN wieso? / Eisblock

Nicht mein Fall: Sie schauen / Was sie will / GGGut / Sie hassen mich / Lachs Anthem / Leg dich hin

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