Dienstag, 29. Mai 2018

Räum die Garage auf!




















Ich finde es eine sehr gute Sache, dass Courtney Barnett vielleicht eine der wichtigsten und erfolgreichsten Personen ist, die die internationale Rock-Szene 2018 noch hat. Unter denen, die es gibt, ist sie wahrscheinlich sogar die coolste. Zum einen, weil sie vielleicht die erste Frau ist, die es geschafft hat, in der Community einen Trend anzugeben, dem nicht nur andere Frauen folgen, zum anderen weil sie diese Einflusskraft auch zu nutzen weiß. In ihren Texten geht es um wichtige Themen, die Songwriterin nimmt selten ein Blatt vor den Mund und kann sehr direkt sein. Als künstlerische Persönlichkeit macht sie das trotz ihrer doch recht kurzen Karriere zu einem ziemlichen Vorbild, bei dem definitiv ein anderer Wind bläst als bei einem clownesken Mac DeMarco oder den nerdigen King Gizzard. In dieser Hinsicht hat die junge Frau also schon jede Menge geschafft. Das einzige, was bei ihr für mich persönlich noch fehlt ist, dass sie mich durch ihre Musik überzeugen kann und ein wirklich gutes Album veröffentlicht, der ihr Talent auch manifestiert. Gezeigt hat sie dieses schon zuvor, nur eben nie wirklich konsistent. Wobei so viel von ihr ja auch noch gar nicht erschienen ist. Gerade mal einen "richtigen" Longplayer hat die Australierin bisher solo veröffentlicht, mit dem ich damals zugegeben etwas hart war, des weiteren gibt es diverse EPs, eine Liveaufnahme und ihre Kollaboration mit Kurt Vile vom letzten Jahr. Wenn sie also eines hat, dann Raum, sich künstlerisch zu beweisen. Und ich finde, auf diesem neuen Album nutzt sie diesen zum ersten Mal voll aus. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle, vor allem aber, dass sich Barnett sich hier endgültig aus der Nische des krachigen Garagenrock heraustraut. Zwar mochten viele den sehr rockigen Stil ihres Debüts, doch war sie damit in meinen Augen Eine von Vielen, die besseres auf dem Kasten hatte. Deshalb freue ich mich, wie viel reicher diese LP nun geworden ist. Auf der einen Seite stehen in vielen Tracks noch gewisse Noise-Elemente über und dass diese Frau Lärm machen kann, kommt hier sogar noch besser zur Geltung als auf dem Vorgänger. Auf der anderen gönnt sich Tell Me How You Really Feel wesentlich vielseitigere Details und Klangfarben, ist bisweilen sehr melodisch und in gewissen Momenten sogar durchaus Mainstream-kompatibel. Vorbilder sind dabei ganz klar Bands wie die Breeders oder Patti Smith, aber auch gewisse Elemente von Glamrock, Country und Emo kommen hier durch, teilweise sogar in sehr High School Musical-artiger Form. Allerdings ist auch das eine Sache, die das Songwriting hier sehr sympathisch macht und die den teils schon sehr ernsten lyrischen Inhalt etwas ausgleicht. Und über letzteren muss man definitiv auch sprechen, denn wenn Courtney Barnett eines ist, dann eine Texterin. Auch auf diesem neuen Album wird das sehr deutlich und prägt sich mit Sicherheit noch stärker ein als auf dem Debüt. Wenn sie in Nameless, Faceless über ihre Angst singt, nachts durch Parks zu laufen, ist das tatsächlich sehr berückend, ihr apokalyptischer Monolog im Opener Hopefulessness ist grandios und ihre Beobachtungen einer Beziehung in Sunday Roast gehen ebenfalls sehr nahe. Mit vielen Lyrics hier ist die Australierin hier direkt an der Schlagader der Hörenden, was manchmal auch einen sehr unangenehmen Effekt hat, der jedoch künstlerisch absolut brilliant ist. Wenn ein Album mir überzeugend das Gefühl des Moments gibt, in dem ich feststelle, dass ich bei einem Streit vielleicht doch nicht Recht hatte, ist das hart, aber ziemlich genial. Und letztendlich ist diese Wirkung das, was Tell Me How You Really Feel von einer guten Platte zu einer besonderen macht. Einer, die ganz klar die Handschrift ihrer Schöpferin trägt. Womit meine Erwartungen an diese LP nicht nur getroffen, sondern in gewisser Weise sogar übertroffen wurden. Ich bin mir sicher, dass Courtney Barnett hier für sich selbst einen neuen Maßstab gesetzt hat und weil sie eben auch nicht irgendwer ist, habe ich die Hoffnung, dass sie hier ein Album gemacht hat, über das die Leute reden werden. Spätestens am Ende dieses Jahres zumindest.






Persönliche Highlights: Hopefulessness / City Looks Pretty / Charity / Need A Little Time / Nameless, Faceless / Crippling Self Doubt & A General Lack of Self Confidence / Walkin' On Eggshells / Sunday Roast

Nicht mein Fall: I'm Not Your Mother, I'm Not Your Bitch

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