Sonntag, 13. Mai 2018

Du Arschloch!




















Schon 2016, als das kommerzielle Debüt der Band Drangsal um den Berliner Songwriter Max Gruber erschien, war diese ganze Sache ziemlich schwer zu ignorieren. Viele coole Plattformen sprachen von Harieschaim, als wäre es das Album, das der hiesige Pop-Kosmos schon lange gebraucht hatte und feierten den jungen Frontmann als kleinen Messias des massenkompatiblen Indierock. Tatsächlich aber machte diese Gruppe nichts weiter als ziemlich belanglosen Wave-Mist, der zufällig das Glück hatte, eher von den coolen Kids entdeckt zu werden als Formate wie Karies oder Odd Couple. Noch dazu war Max Gruber als Fokuspunkt der Berichterstattung ein ziemlicher Unsympath, der schon nach diesem ersten Erfölgchen sehr pretenziöse Schwarten über seine künstlerischen Ambitionen absonderte. Hätte man mich vor zwei Jahren gefragt, hätte ich Drangsal sicherlich kein langes Leben im Sonnenglanz der Musikindustrie prophezeiht. Allerdings kam danach das Casper-Feature in Keine Angst, in dem Drangsal es tatsächlich schafften, auch mich sehr zu überzeugen und ganz davon abgesehen auch den Rest der Pop-Nation abholten, was logischerweise dazu führte, dass zum Zeitpunkt, als Zores angekündigt wurde, die Schlange schon lang war. Und obgleich mir Gruber immer noch unsympathisch war und in Interviews noch mehr Mist quatschte als vorher, war ich musikalisch diesmal nicht ganz so skeptisch. Vor allem deshalb, weil ich die Entscheidung sehr begrüßte, dass die neue Platte zum größten Teil in deutsch gesungen werden würde, wo mich Drangsal schon immer mehr überzeugt hatten. Und als die Leadsingle Turmbau zu Babel im März erschien, bestätigte sich diese Hoffnung in gewisser Weise. Dass die Berliner diesmal ein gutes Album zustande brächten, war zumindest nicht komplett unmöglich. In gewisser Weise ist genau das hier auch passiert. Klanglich beispielsweise ist Zores ein Riesenschritt nach vorne und fast jeder Song schafft es, auf instrumentaler Ebene unglaublich viel Stimmung zu erzeugen. Auch auf der gesanglichen Seite ist das meiste hier wesentlich stärker und dass Max Gruber neun von zwölf Stücke in deutsch singt, macht tatsächlich eine Menge aus. Dass er ein guter Sänger ist, ist ja ohnehin nichts neues (auch wenn er dabei sehr nach dem Achtziger-Farin Urlaub klingt). Dass diese sehr guten Ansätze aber trotzdem nicht reichen, um unterm Strich ein gutes Album zu formen, ist aber ebenso exemplarisch für Zores. Denn mehr als Ansätze sind das hier am Ende doch nicht. Zwar hat jeder Track eine ziemlich gute Melodie, doch gibt es auch nicht eine besonders erinnerungswürdige Hook oder einen speziellen musikalischen Moment, der aufmerken lässt. Bisweilen würde ich mich sogar dazu hinreißen lassen, die Platte als monoton zu bezeichnen. Sicher, es ist immer viel los und klanglich hat sich die Band eine Menge überlegt, doch kompositorsich führt das zu Überlagerungen und am Ende haben Drangsal zwar ein Händchen für die Auswahl cooler Synthesizer, wissen aber auch nicht, wie man gute Musik darauf spielt. Und was Max Grubers Texte angeht: So geil wie alle sagen sind die nun auch wieder nicht. Dass er hier sehr gerne sowas wie Morissey auf deutsch sein würde, tropft aus jeder Zeile dieses Albums, letztendlich kommen seine kunstvollen Phrasen aber ziemlich flach. Gruber kann auf jeden Fall mit Worten umgehen und ich liebe sein Spiel mit exotischem Vokabular und teilweise sehr direkter Sprache, doch emotional stoßen sie bei mir auf taube Ohren. Anders als ein Dirk von Lowtzow oder Sven Regener schafft er es eben nicht, klare und tiefe Gefühls-Power in scheinbarer Sachlichkeit zu verstecken, sondern endet mit wüsten Metaphern und wenig dahinter. Pretenziös bleibt er eben auch weiterhin. Wobei das im Fall von Zores nicht mehr der Hauptaspekt sein sollte. Denn schließlich haben sich Drangsal im Ansatz hier schon um einiges gesteigert. Was hier passiert, ist weit entfernt von einem guten Album, aber definitiv auch Welten besser als Harieschaim. Vor allem, weil hier an vorderster Front jetzt auch mal ein musikalischer Charakter steht. Der mag vielleicht ein Arschloch sein, aber wenigstens vergisst man ihn diesmal nicht so leicht.






Persönliche Highlights: Magst du mich (oder magst du bloß das alte Bild von mir) / Turmbau zu Babel / Weiter nicht

Nicht mein Fall: Eine Geschichte / Laufen lernen

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen