Sonntag, 27. Mai 2018

Segeln ohne Wind




















Vorab ein kleiner Disclaimer: Wenn immer ich auf diesem Format über Platten schreibe, bin ich stets bemüht, diese mit einem möglichst niedrigen Level an zuvor gebildeten Urteilen anzugehen. Theoretisch versicht ich, jedem Projekt die gleichwertige Chance einzuräumen, mich durch seine musikalischen Qualitäten zu beeindrucken und niemandem diese zu verwehren, nur weil ich vorher etwas von diesem Act besonders cool oder doof fand. Wenn es um die Arctic Monkeys geht, muss ich allerdings direkt sagen, dass mir diese Einstellung nicht möglich ist. Denn solange ich diese Band schon kenne, bin ich ein riesiger Fan von ihnen. In meinen Augen ist das Quartett aus Sheffield eine der letzten großen Bastionen der Rockmusik im Jahr 2018 und für mich definitiv auch im Gesamtkontext betrachtet eine der besten Formationen, die je Popmusik gemacht hat. Ein schlechtes Album von ihnen gibt es bei mir nicht und abgesehen von ihrer letzten Platte AM und ihrem Debüt haben sie nur persönliche Favoriten meiner eigenen Tonträgersammlung veröffentlicht. Meine Fanboy-Bande zu den Briten ist also definitiv stark und eine objektive, unemotionale Betrachtung dieser LP deshalb definitiv unmöglich. Tranquility Base Hotel & Casino ist in diesem Zusammenhang sogar besonders spannend, weil im Vorfeld so gut wie gar nichts darüber bekannt war. Eine Single gab wurde nicht veröffentlicht, live kein neues Material gespielt, keine Teaser im Radio. Lediglich einen achtsekündigen Videoclip gab es, der aus Ermangelung an Stoff von Fans auf eine Stunde aneinandergeschnitten wurde. Ein Monument der Unbefriedigung auf YouTube. Und in meinen Augen ein wahnsinnig cooler (Nicht-)Promomove, der im übersättigten Internetzeitalter auch Mut braucht. Doch nun zur wichtigen Frage: Wie ist denn nun die Musik auf Tranquility Base? Die einfachste Antwort darauf lautet sicher: anders. Und irgendwie war das auch nicht anders zu erwarten. Die Arctic Monkeys waren gerade fünf Jahre weg vom Fenster, haben sich in anderen Bands frische Impulse geholt und sind überhaupt schon immer ziemlich wandelbar gewesen. In dieser Tradition ist das hier nun wieder etwas vertrautes, aber doch neues geworden, ich würde es als ihre zweite Westernrock-Phase bezeichne. Allerdings auch mit Abstrichen. In gewisser Weise ist Tranquility Base nämlich auch nur ein Wirrwarr aus vielen Stilen, die die Briten schon zuvor bedienten. Klanglich und instrumental kommt vieles aus der Suck It and See-Zeit wieder hoch, mit jeder Menge Einflüssen aus Country, Soul, Sixties-Pop und Spaghetti-Western-Zeug, wenngleich ein bisschen melancholischer als damals. Auch die sexy R'n'B-Attitüde von AM ist hier nach wie vor vorhanden und vermehrt sich sogar in Form einiger Klavierstücke, das interessanteste sind aber auch hier wieder Alex Turners Texte. Denn auch hier findet sich eine Mischung aus Erneuerung und Rückschritt, die spannend ist. Sprachlich bleibt Turner dabei sehr bei der verklausulierten, mystischen Delivery der letzten Alben, allerdings will er hier auch wieder mehr erzählen. Songs wie Star Treatment und Four Out of Five haben ganz klar den direkten, erzählerischen Touch der frühen Alben und wirken definitiv auch wieder lebensechter. Zumindest theoretisch sollte vieles an dieser LP also die gespaltenen Fan-Lager der Briten versöhnen. Und viele Leute scheinen das neue Album ja auch zu mögen. In meinen Augen jedoch ist Tranquility Base der bisher schwächste Longplayer der Arctic Monkeys. Warum? Weil er einfach ziemlich langweilig ist! Das ist nämlich noch so eine Neuerung hier: Die Band ist hier endgültig in der nostalgischen Gemütlichkeit versunken, die sich eigentlich schon seit ihrer zweiten Platte andeutet, aber nie so wirklich übernehmen konnte. Hier schlägt sie nun doppelt und dreifach zu und sorgt dafür, dass diese Jungs plötzlich einschläfernde Fahrstuhlmusik machen. Kein einziger der elf Songs ist gefühlt schneller als 70 BPM und von den starken Riffs der früheren Alben hört man hier absolut nichts mehr. Eigentlich hätte ich damit gerne kein Problem, weil solche Dinge eben zum künstlerischen Fortschritt nutzen, doch die Arctic Monkeys kompensieren diese Abzüge mit relativ wenig. Sicher, Tranquility Base ist instrumental breiter gefächert als jede LP zuvor, aber wenn alle Instrumente nur eine ziemlich lahme Melodie dahinschlurfen, hat sich diese Investition eben nicht gelohnt. Und auch das Argument, dass diese Platte auf inhaltlicher Seite wieder eindrücklicher ist, zieht bei mir nicht. Inhaltlich waren die Briten immer stark und Alex Turner auch bis zuletzt ein Ausnahme-Texter. Nur fällt das hier erstmal auf, weil man plötzlich hinhören muss, weil der Rest do furchtbar öde ist. Wobei die Arctic Monkeys am Ende eben doch nicht die Band sind, die ich ausschließlich mit geöffnetem Genius-Tab genießen möchte. Ich mochte sie immer so sehr, weil sie am Ende des Tages eben doch immer lebendige Musik machten, die Überraschungen bereit hielt und bisweilen auch skurril war. Zwei Faktoren, die man hier vergeblich sucht und ohne die die Briten wie die gemietete Ben E. King-Coverband auf der Hochzeit deiner Cousine klingen. Oder wie Timber Timbre in langweilig. Wobei man das alles auch im Verhältnis sehen muss: Denn insgesamt kann man ihnen hier auch nicht vorwerfen, kein stimmiges, detailreiches und aufwendiges Album gemacht zu haben, das am Ende doch eine ganze Stange guter Songs zu bieten hat. Bei anderen Künstler*innen hätte ich das möglicherweise beeindruckend gefunden. Nur weil das hier eine der besten Bands der Welt ist, ist das eben gleich etwas ganz anderes. Spätestens da sind wir dann bei den Fan-Emotionen, die mit mir durchgehen.






Persönliche Highlights: Star Treatment / Tranquility Base Hotel & Casino / the World's First Ever Monster Truck Front Flip / Science Fiction / Batphone / the Ultracheese

Nicht mein Fall: Four Out of Five

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