Sonntag, 6. Mai 2018

Their Highnesses




















Dass Langsamkeit bei Sleep ein wichtiges Prinzip ist, dürfte mittlerweile auch den letzten klar sein. Nicht nur in ihrer Musik selbst, die seit jeher zu den schwerfälligsten Sounds gehört, die im Stoner-Kosmos existieren, auch in der gesamten Arbeitsweise daran. In fast 20 aktiven Jahren (von 1999 bis 2009 war die Band aufgelöst) fabrizierten die Kalifornier gerade mal vier Alben, die dafür aber mittlerweile zum festen Kanon des Genre-Einmaleins gehören dürften. Insbesondere das kurz vor der Trennung veröffentlichte Dopesmoker ist bis heute nicht nur das Opus Magnum seiner Schöpfer, sondern möglicherweise einer ganzen Subkultur von Musikfans, die an ihren Klassiker absolut nichts kommen lassen. Dass es seitdem fast zwei Dekaden gedauert hat, bis ein Nachfolger erscheint, ist dennoch selbst für Sleep-Verhältnisse eine lange Zeit. Sogar wenn man die zehn inaktiven Jahre abzieht, bleibt ein ganzes Jahrzehnt ohne neues Material. Und wenn man bedenkt, wann erstmals Signale bezüglich einer neuen LP gesendet wurden, sind nochmal satte sechs Jahre verstrichen, in denen die Band an dem gearbeitet hat, was nun the Sciences geworden ist. Angesichts dieser Zahlen ist es nur gerechtfertigt, dass Fans hier nicht weniger erwarten als ein neues Meisterwerk und bereits kurz nachdem die Platte Ende April (ausgerechnet auf Jack Whites Third Man-Label) erschien, verkündeten auch erste Stimmen auch genau diese Kunde: Sleep waren endgültig von den Toten zurück und das neue Album war - mal wieder - die Krone der Stonerrock-Schöpfung. Davon einen neutralen, kritischen Abstand zu gewinnen, fiel also gleich von vornherein schwer. Und nachdem ich mir nun endlich selbst ein Bild davon machen konnte, was auf diesem Comeback passiert, muss ich sagen, dass ich diese Meinung leider nicht ganz teile. The Sciences ist ein durchaus schön gemachtes und unterhaltsames Projekt, das auch nach so langer Pause sehr in der Tradition der Band steht und mit den üblichen Parametern überzeugen kann. Nur gibt es darüber hinaus relativ wenig, was stilistisch wirklich herausstechend wäre. Dabei fängt alles so toll an: Der dreiminütige Titelsong als Opener der LP ist mit seinen völlig außerirdischen Noise-Eskapaden der feuchte Traum der Doom-Fraktion unter den Anhänger*innen, der durchaus auch Bezüge zu Kollegen wie Sunn 0))) oder Boris erlaubt. Doch nicht nur bricht dieser Auftakt mit einem ziemlich awkwarden Übergang inklusive Bong-Anzünd-Geräusch zum Anfang von Marijuanaut's Theme ab, auch der komplette Rest des Albums wirkt danach irgendwie etwas schal. Sicher, das Songwriting ist weiterhin stimmungsvoll, aber eben nicht herausragend. Zum einen liegt das daran, dass Sleep hier trotz allem eine etwas mildere Band geworden sind, die insgesamt etwas melodischer unterwegs ist und nicht mehr ganz so vermatscht klingen will. Das ist ja eigentlich eine noble Sache, doch wissen sie hier leider nicht so richtig, wie sie das angehen sollen. Da die Gitarren höher gemischt sind, fehlt hier mitunter das Element von Schwere, das bisher ein Trademark dieser Formation war und Al Cisneros' vokalistische Performance ist stellenweise einfach ziemlich ungeil. Zum anderen fehlt vielen Riffs hier einfach der kompositorische Twist, der das alles irgendwie interessanter macht. Ich rede dabei nicht von Monotonie, denn die gehört zum Sound dieser Band wie lange Blättchen zum Grinder, sondern von Ideen. Ein Riff beliebig oft zu wiederholen ist eben auch nur dann cool, wenn es von vornherein ein gutes Riff ist. Und das ist hier eben doch eher selten der Fall. Zumindest spielen Sleep hier nicht viel, was nicht auch ein Christian Döring drauf hätte 😜. Einzig der Closer the Botanist ist mit seinen durchaus virtuosen Solo-Auswüchsen ein echter Hingucker. Das macht the Sciences zwar in keinem Moment zu einem schlechten Erlebnis, doch auch nicht gerade zu einem besonderen, für das Sleep in der Szene ja eigentlich stehen. Ich will den euphorischen Fans dieser Platte nicht unterstellen, dass sie diese Songs nicht wahrhaftig gut finden, doch ein klein wenig Götzenverehrung ist hier am Ende vielleicht doch mit im Spiel. Dass die LP einfach dadurch eine Offenbarung ist, dass man sie noch erleben darf, ist definitiv für viele ein Qualitätsfaktor, den man nicht unterschätzen sollte und auch ich bin nicht der Meinung, dass die Diskografie von Sleep besser dran wäre, hätte es sie nicht gegeben. Doch will ich sie deswegen auch nicht besser machen, als sie ist. Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt der Spielverderber bin, weil ich mir als einziger nicht 15 Blunts reingeballert habe, um diesem epochalen Comeback auch definitiv mit dem richtigen Setting zu begegnen.






Persönliche Highlights: the Sciences / Antarcticans Thawed / the Botanist

Nicht mein Fall: Marijuanaut's Theme / Giza Butler

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