Sonntag, 6. Dezember 2020

Rock Or Bust

AC/DC - Power Up  


[ rockröhrig | dadrockig | gepresst ]

Dass AC/DC eine Sache sind, die 2020 immer noch existiert und einigermaßen relevant ist, ist in meinen Augen schon seit Jahren ein Faktor, mit dem die Band sich selbst keinen Gefallen mehr tut. 45 Jahre nach ihrem Debüt und 12 nach ihrem dritten Comeback Black Ice von 2008 gleicht das Phänomen der Australier mehr und mehr einem klinisch toten Kadaver, der künstlich belebt noch einmal in die hundertste Ehrenrunde gepeitscht wird. Das Problem ist dabei nicht unbedingt, dass AC/DC zu alt dafür wären, weit betagtere Acts wie Hawkwind oder Ozzy Osbourne haben in den letzten Jahren noch erstaunlich gute Musik gemacht. Viel eher frage ich mich des öfteren, was die Band und ihre Fans gleichermaßen - abgesehen von der gemeinsamen Nostalgie - noch zum weitermachen motiviert. Und warum hier immer noch so getan wird, als wäre es 1978 und man selbst gerade 25 geworden. Sicher, AC/DC waren noch nie eine Formation, die für ihre feingeistige kreative Nuancierung und kreative Wandelbarkeit bekannt waren, viel eher sind sie die klassischen Vertreter eines sogenannten "One Trick Pony", die seit über 40 Jahren mit ein und demselben Sound durchkommen. Und klar habe ich von einem Album wie Power Up nicht erwartet, dass dieses Konzept hier plötzlich nochmal völlig umgestoßen wird. Dennoch ist es bemitleidenswert anzusehen, wie noch immer versucht wird, einen komplett illusorischen Status Quo zu synthetisieren, der den Verfall des ihres eigenen Klischees in etwa so gut kaschiert wie die dazugehörige Fanbase ihren Haarausfall. Es ist allerdings auch eher ein allgemeines Problem, welches mir in Bezug auf die Band Kopfzerbrechen bereitet, nicht so sehr in Bezug auf dieses Album. Denn dieses ist tatsächlich überraschend okay geworden, zumindest dafür, dass AC/DC hier strukturell den gleichen Stiefel abrotzen wie seit über vier Dekaden. Es ist nicht weniger als erstaunlich, wie effektiv sie nach so langer Zeit und so viel klanglicher Gleichförmigkeit doch noch eine ganze Reihe cooler Riffs und Hooks zustande kriegen, die pragmatisch gesehen nicht besser oder schlechter sind als ihre Sachen in den Siebzigern. Gerade Momente wie der Refrain von Shot in the Dark mit seinen Van Halen-mäßigen Backingvocals oder das schicke Bluesmotiv von Wild Reputation zeigen, dass bei dieser Band kompositorisch noch Benzin im Tank ist und der Mangel an Ideen ganz bestimmt nicht ihr eigentliches Problem darstellt. Klar ist Power Up irgendwie stagnierend, aber für ein Format wie AC/DC ist selbst das im Jahr 2020 etwas, das man erstmal schaffen muss. Dass Leute wie Phil Rudd und Brian Johnson, die schon beim letzten Album mit krassen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatten, hier nochmal performen, grenzt an ein kleines Wunder und wenn es dann ein bisschen Studiomagie braucht, um ihren Spuren den nötigen Bumms zu geben, dann ist das für mich vollkommen akzeptabel. Zumal Power Up in keinem Moment besonders künstlich oder zurechtgestutzt klingt. Die Produktion der Platte von Pearl Jam-Hausmischer Brendan O'Brien ist generell spannend, da sie nicht darauf aus ist, alles möglichst fett klingen zu lassen, sondern eher auf den klaren Klang einzelner Instrumente setzt und damit einen gewissen Blues-Faktor in manchen Songs herauskitzelt. Außerdem stellt sie großartig zur Schau, was für ein begnadeter Gitarrist Angus Young noch immer ist. Dass Power Up auch seine Schwächen hat, sollte aber niemanden überraschen und abgesehen von den allgemeinen Punkten, die ich zuoberst anführe, sind es wir immer auch Details, die die Suppe versalzen. Brian Johnson klingt, so sehr er hier auch unterstützt wird, leider immer schlechter und sein Gesangsstil altert auf keine gute Weise, viele Texte wie Demon Fire oder Rejection sind extrem Stumpf (Zeilen wie "If you reject me / I'll take what I want" aus letzterem sind sogar äußerst fragwürdig) und in Tracks wie Code Red kommt es vor, dass bestimmte Ideen von früher nochmal sehr billig verwurstet werden. Meine Erwartung war allerdings, dass diese Schwächen die definierenden Charakteristika dieses Albums sein würden, weshalb ich froh bin, dass sie nur einen relativ kleinen Teil ausmachen. Power Up hat für mich zwar auch nicht den Charakter eines regenerierenden Albums, das nach Jahren der Mittelmäßigkeit wieder richtig toll ist, dafür sind AC/DC einfach zu undynamisch. Doch ist es mehr, als ich von dieser Band zum jetzigen Zeitpunkt erwartet hatte. Und dass es am Ende doch irgendwie rechtfertigt, dass sie 2020 noch existieren. Auch wenn jetzt vielleicht der beste Zeitpunkt wäre, wirklich und endgültig das Handtuch zu werfen.


Hat was von
Guns n' Roses
Appetite for Destruction

Airbourne
No Guts. No Glory.
 
Persönliche Höhepunkte
Shot in the Dark | Through the Mists of Time | Wild Reputation | Money Shot
 
Nicht mein Fall
Kick You When You're Down | Demon Fire
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen