Freitag, 4. Dezember 2020

Verkürzt

Dirty Projectors - 5EPs 


[ gemütlich | indiepoppig | einförmig ]

Dass die Dirty Projectors von ihrer Grundlage her eine sehr unstete Unternehmung sind, ist in den letzten Jahren für mich persönlich so etwas wie die laufende Punchline ihrer Karriere geworden. Seit ihrem selbstbetitelten Comeback von 2017, das noch am ehesten ein reines Soloprojekt von Kreativchef Dave Longstreth war, hat es in ihrem Katalog keine zwei Releases gegeben, die nicht völlig unterschiedlich gewesen wären. Zusätzlich dazu wurde die Zusammensetzung des Konstrukts Dirty Projectors von ihnen selbst ständig neu erfunden und ebenfalls mit jedem Release neu gedeutet. Als Ein-Mann-Band, als kuratiertes Kollaborations-Mischmasch, als Gruppe von Sessionmusiker*innen oder als kollektivistischer Think Tank. Einzige feste Größe scheint dabei immer nur die starke Federführung von Mastermind Longstreth zu sein, wobei auch diese sich immer wieder anders äußert. So ist 2020 das Jahr gewesen, in dem er die Projectors effektiv zum Duo schrumpfte (mit ihm selbst als multiinstrumentaler Hintergrund-Mozart und der New Yorker Künstlerin Maia Friedman als Sängerin und repräsentatives Gesicht) und erstmals kein Album veröffentlichte, sondern eine Reihe künstlerisch verbundener EPs, die im Laufe der Saison Stück für Stück erschienen. Mit 5EPs sind diese nun zu Ende der Aktion als Bundle erschienen, was ich vor allem deshalb gut finde, weil ich die ganze Chose hier in einer Besprechung abfrühstücken kann. Und wie immer bei Longstreth muss man zu Anfang erstmal ein wenig einordnen. So ist vieles hieran nach seinen jüngsten Eskapaden mit R'n'B, Mathrock und Elektropop wieder sehr konservativ-indiefolkig und erinnert sogar sehr an seinen Output in den Zwotausendern. Und obwohl innerhalb dieser groben Grenzen jede EP versucht, irgendwie ihr eigenes Ding zu sein, ist die generelle Ästhetik recht gleichförmig. Die meisten Songs verlassen sich kompositorisch auf eine Akustikgitarre und ein bisschen zusätzliches Klimbim, werden entweder von Friedman oder von Longsteth gesungen und erinnern klanglich sehr an Sachen wie Big Thief, Jessica Pratt oder auch das neue Fleet Foxes-Album. Es gibt natürlich kleinere Ausreißer wie den Block von Earth Crisis, der wieder sehr viel mit Stimmverzerrung und verhackstückten Streichern herumbastelt oder Super João, in dem Longstreth sich auch noch den Gesangsjob unter den Nagel reißt, doch von der Stimmung her bleiben die Unterschiede marginal. Und an diesem Punkt setzt letztlich auch meine größte Kritik mit diesem Projekt an, denn vieles daran ist kompositorisch eher uninteressant. Egal ob man diese Compilation als ganzes nimmt oder die einzelnen Portiönchen für sich, die generelle Idee kommt nie so richtig in die Puschen. Gerade wenn man für einen Gesamteindruck nur eine Viertelstunde Zeit hat, wäre das ja ein Argument dafür, das Songwriting nochmal etwas stärker zu schärfen und aufs ganze zu gehen. Und erfahrungsgemäß ist Longstreth niemand, der damit ein Problem hat. Hier allerdings bleibt er ziemlich konsequent bei diesen minimalistischen Nummern, die eher ein bisschen klingen wie liegengebliebene Outtakes und somit in beiden Szenarien meistens nicht überzeugen können. Wenige davon sind effektiv schlecht, doch fast alle sind in vielen Belangen ausbaufähig. Selbst die tollen und kreativen Abschnitte hier wären besser, hätte man diese Ideen genommen und zu einem ordentlichen Album weiterentwickelt. So wie sie hier sind, verharren sie in einem embryonalen Zustand, der nichts halbes und nichts ganzes ist. Meine persönlichen Lieblings-Blöcke sind am Ende das sehr quirky-folkige Windows Open und das experimentell-orchestrale Earth Crisis, die mich ein bisschen an Julia Holter und Anna von Hausswolff erinnert, die negativen Highlights das schrammelige Super João sowie das pseudo-psychedelische letzte Stück Ring Road. Generell gesehen sagt das aber wenig aus, da ich die gesamte Palette diese Tracks als reichlich mittelmäßig oder zumindest ausbaufähig empfinde. Ich mag den Ansatz, wie hier das konservative Format eines klassischen Albums umgangen wird, in der Umsetzung hapert es aber noch gewaltig. Dave Longstreth ist ein Künstler, dem ich zutraue es besser zu machen, wie das aussehen könnte, weiß ich allerdings auch nicht. Also vielleicht doch einfach wieder eine LP, denn die letzten davon mochte ich eigentlich echt gerne.


Hat was von
Big Thief
U.F.O.F.

Fleet Foxes
Shore

Persönliche Höhepunkte
On the Breeze | Overlord | Search for Life | Guarding the Baby | Empty Vessel | Holy Mackarel | Bird's Eye | Now I Know

Nicht mein Fall
I Get Carried Away | Por Qué No

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