Dienstag, 8. Dezember 2020

Aus dem Leim der Zeit

Tom Vek - New Symbols  


[ nerdig | slackerig | verwirrend ]

Es war eine ebenso surreale wie angenehme Überraschung, als ich vor einigen Wochen, wie ich so routinemäßig die aktuellen Releases der nächsten Monate abcheckte und Material für Artikel zu suchte, plötzlich auf den Namen Tom Vek stieß. Einen Namen, mit dem ich in Bezug auf Musik eigentlich schon mehr oder weniger abgeschlossen beziehungsweise vergessen hatte. Und das, obwohl von ihm eine Weile lang echt interessante Sachen ausgingen. Vor allem sein Album Luck von 2014, das in jener Saison eine meiner Lieblingsplatten war, schätzte ich seinerzeit sehr als veritables Zeugnis kreativer Indiepopmusik, dekonstruktives Nischenelement der Generation Post-Strokes und irgendwie definierendes Werk der ersten zwei Jahre, in denen ich über Musik schrieb. Mindestens genauso definierend wie diese LP war für meine Beziehung zu Tom Vek aber auch, dass diese für nächste halbe Dekade seine letzte bleiben sollte und die Folgezeit von Luck durch eine musikalische Inaktivität geprägt war, die wenig Hoffnung auf mehr machte. Keine Bandprojekte, keine kleinen Releases, keine künstlerischen Spinoffs, nicht mal ein Remix. Für die komplette Zeit zwischen Herbst 2014 und Herbst 2020 war Tom Vek als kreative Persönlichkeit quasi nonexistent. Und dass ich bei so wenig Zuarbeit irgendwann auch nicht mehr an einen Nachfolger glaubte, sollte da verständlich sein. Nur gibt es ihn nun eben doch noch. Fast sechseinhalb Jahre später, veröffentlicht ohne Label und Promo und mit unklaren Erwartungen. Tatsächlich war meine Erinnerung an Veks Musik so diffus, dass ich mir im Vorfeld noch einmal Luck anhören musste, um wieder ein Gefühl für seinen Stil zu bekommen. Abgesehen davon, dass der Vorgänger immer noch ziemlich fetzt stellte ich dabei fest, dass New Symbols in vielerlei Hinsicht einen wesentlichen Schritt weitergeht. Die knallige, nerdige und bratzige Synthpopmusik, die ich beim letzten Mal so gerne mochte, weitet der Brite auf dieser LP in eine sehr atmosphärische Kompositorik um, in der die gleichen Songentwürfe gerne Mal sechs oder mehr Minuten gehen können. Gleichzeitig liegt der Fokus deutlich weniger auf Melodien und Hooks, sondern auf den Soundflächen und Texten, die in vielen Momenten sehr viel erzählerischer sind als zuvor. New Symbols als experimentelles Album zu bezeichnen, ist also nicht unbedingt eine Übertreibung. Gerade an Songs wie Slippery Fish oder Fountains Spit Your Name, die vor allem lyrisch in eine sehr prosaische Richtung gehen, kann man das feststellen, wobei die Inhalte zwischen menschelnden Poetryslam-Texten, expressiver Dichtkunst und einer Prise Dada-Humor pendeln. Man erkennt dabei noch die Grundelemente der früheren Alben, sie werden aber fast gänzlich neu verbaut. Doch wo diese Entwicklung rein stilistisch irgendiwie nachvollziehbar ist, muss ich kompositorisch definitiv sagen, dass Tom Vek sich hier keinen Gefallen tut. Durch die offene, improvisatorische Herangehensweise gehen viele der Songs sehr aus dem Leim und verlieren ihre Wirkmächtigkeit als Gesamtkonzepte. Es gibt immer wieder gute Ideen und Vek ist als Performer weiterhin äußerst charismatisch, doch fügen sich die einzelnen Teile nicht mehr so schick zusammen wie früher. Das führt in den ausgedehnten Songs zu längeren Durststrecken und teils auch etwas peinlichen Momenten. Wenige der Songs sinddurchweg schlecht, doch ist auch keiner so stark wie irgendein Track auf Luck oder sogar auf Leisure Seizure, dem Album davor. Ich schätze es von der Idee her sehr, dass diese LP mehr Risiken eingeht und experimentell sein möchte, und am Ende des Tages war Tom Vek schon immer ein Künstler, der in seinen Songs viel tüftelte und dekonstruierte. Gerade deshalb finde ich es aber so viel spannender, wenn er diese Nerdigkeit auf eher konventionelle Popmusik anwendet, denn die kann er zufällig auch noch richtig gut. Hier hingegen habe ich erstmals das Gefühl, dass er nicht so richtig weiß, was er tun soll. Und das ist nach sechs Jahren Stille schon ziemlich ernüchternd.


Hat was von
Car Seat Headrest
Making A Door Less Open

the Voidz
Virtue

Persönliche Höhepunkte
Survive | All the Time in the World | Washed Up On the Beach
 
Nicht mein Fall
Guilty Pleasure | Rolling You Down | My Child
 

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