Mittwoch, 16. Dezember 2020

Hengstin

Megan thee Stallion - Good News 


[ souverän | kommerziell | austauschbar ]

Im Winter 2020 ist es definitiv keine Übertreibung mehr, Megan Thee Stallion als eine große Nummer zu bezeichnen. Spätestens seit WAP, ihrem frivolen Schulterschluss mit Cardi B von diesem Sommer, hat sie sich in die musikalischen Annalen dieser Saison eingebrannt und zu einer Künstlerin gemacht, von der die Welt einiges erwartet. Dass am krönenden Abschluss dieses grandiosen Staffellaufs die Veröffentlichung ihr kommerzielles Debüts steht, ist also nur logisch und für das Business-Denken der Texanerin exemplarisch. Generell finde ich es sehr faszinierend, wie es Megan Thee Stallion seit einer Weile gelingt, strategisch Aufmerksamkeit auf ihren Outout zu lenken und die richtigen Beziehungen dort zu knüpfen, wo andere in der Vergangenheit lieber Beef anzettelten. Doch wo ich für sie als öffentliche Person und Macherin jede Menge Respekt habe, kann ich die gleichen Empfindungen für ihre Musik leider noch immer nicht teilen. Bereits seit ihrem Szene-Durchbruch letztes Jahr mit Fever ist Megan eine Künstlerin, der ich von der Sache her jeden Erfolg gönne, doch bei der mir musikalisch irgendwie die Substanz fehlt. Klar kann auch sie Texte schreiben und flowen und ist ziemlich badass, doch ist sie damit im großen Haifischbecken an Poprapper*innen nicht unbedingt etwas besonderes. Was gefestigen musikalischen Charakter oder stilistische Alleinstellungsmerkmale angeht, beruft sich ihr Songwriting noch immer auf wenige, sehr oberflächliche Attribute, billige Catchphrases und allgemeingültige Narrative, die sie für mich ein bisschen eigenschaftslos machen. Und wenn auf ihren bisherigen Platten ihre so oft gefeierte Attitüde in der tautologischen Aussage bestand, Attitüde zu haben, reichte mir das einfach nicht. Und leider muss ich sagen, dass auch dieses Debüt den großen Kritikpunkt für mich nicht überwindet. Dabei hatte ich im Vorfeld durchaus Hoffnungen. WAP war diesen Sommer einer der wenigen Tracks, bei denen ich den Eindruck hatte, hier eine musikalische Persönlichkeit zu hören und mit der Betonung von Sexpositivität und ihrem kontroversen Powerfrauen-Image in diesem und anderen Texten hatte sie zumindest ein Narrativ gefunden, das sie gut bespielte. Nur scheint genau das auch das einzige zu sein, was Megan auf Good News hervorbringen kann. In fast jedem der 17 Songs auf diesem Album geht es um das Verhältnis der Künstlerin zu Bienchen und Blümchen-Themen, wobei es nicht mal gelingt, verschiedene Aspekte davon zu beleuchten, sondern einfach diverse Titel den gleichen Inhalt haben. WAP, der klassische Prototyp dieser Idee, taucht darunter nicht mal auf. Stattdessen gibt es mit Movie einen dreisten Klau von Cardi Bs Bodak Yellow, einen halbgaren Matratzenjam auf Don't Rock Me to Sleep, die von Queen Bey geadelte Neuauflage von Savage und viel zu viele strategisch positionierte Catchphrases und Adlibs. Gut die Hälfte dieser Unternehmungen ist dabei gar nicht so übel. Viele Stellen, in denen Megans Sound ein bisschen an Bounce oder Golden Age-Hits der späten Achtziger erinnert, sind echt cool, Freaky Girls schafft den würdevollen R'n'B-Crossover, das Feature von DaBaby in Cry Baby ist ziemlich genial und der Remix von Savage wird durch die Beyoncé-Strophe tatsächlich nochmal ein ganzes Ende besser. Kombiniert man diese Höhepunkte aber mit den vielen nicht so guten Features, anbiedernden Radiobeats, schwachen Performances und Füllersongs, entsteht schnell die Wirkung eines äußerst durchwachsenen Flickenteppichs. Zusätzlich hat Megan oft das Problem, dass ihre Auftritte neben denen ihre Gäste etwas verblassen, dass viele Stücke stilistisch etwas unfokussiert sind und dass es wenige wirklich starke Hooks gibt. Und an dieser Stelle wären wir wieder bei meinem Hauptproblem. Denn was diesem Album vor allem fehlt, ist die starke Federführung von Megan selbst. Um ihre bestenfalls befriedigende und oft eher mittelmäßige Performance wird auf Good News jede Menge buntes Schmuckwerk gebaut, das schon irgendwie cool sein kann, aber meistens dadurch, dass es von der Künstlerin an sich ablenkt. Und nicht mal das gelingt hier wirklich konsequent. Folglich ist das hier ein Debüt, das sicherlich ein paar starke Singlehits abwirft und jede Menge namensstarkes Backing hat, aber dem oft ein künstlerischer Kerngedanke fehlt. Wo das auf einem Mixtape oder einer EP noch akzeptabel wäre, wird es hier, auf dem "großen" Debüt langsam auffällig. Und nicht nur, weil ich es persönlich doof finde, sondern auch, weil Megan etwas Charakter brauchen wird, um sich langfristig in ihrer Sparte durchzusetzen. Im Moment reichen ihr noch die Nachbeben von WAP und die prominente Unterstützung, um Good News zu einem beredenswerten Album zu pushen, doch fragt sich ehrlich, wie lange dieser Effekt noch vorhält, wenn die Musik den entsprechenden Bums hat. Und spätestens wenn Cardi B nächstes Jahr wieder Musik macht (das hoffe ich zumindest inständig) werden wir sehen, obwir uns hieran noch erinnern werden.


Hat was von
Cardi B
Invasion of Privacy

Nicki Minaj
the Pinkprint

Persönliche Höhepunkte
Cry Baby | Do It On the Tip | Sugar Baby | Freaky Girls | Body | What's New | Savage Remix

Nicht mein Fall
Shots Fired | Intercourse | Don't Rock Me to Sleep | Don't Stop

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