Mittwoch, 22. April 2020

Damit die Knete stimmt

[ trappig | maskulin | kommerziell ]

Dass ich in der letzten Saison so gut wie keine aktuellen Besprechungen verfasst habe und somit fast ein gesamtes Jahr neuer Musik von meiner Seite völlig undokumentiert ist, rächt sich mittlerweile natürlich in gewissen Punkten. Zu einigen relativ wichtigen Platten von 2019 gibt es von mir keine verlinkbaren Posts, was ich jetzt in Zukunft immer irgendwo anders einbauen muss und über einige spannende Künstler*innen, die in dieser Zeit auftauchten, habe ich deshalb noch gar nicht geschrieben. Und ganz ehrlich, wäre dem nicht so, würde ich mir an dieser Stelle wahrscheinlich genauer überlegen, ob eine ausführliche Besprechung über diese DaBaby-Platte überhaupt sein muss. Denn so viel kann ich gleich zu Anfang sagen: Unterhalten fühle ich mich von ihr nicht im geringsten. Sie klingt wie tausend andere Platten, das Songwriting darauf ist zerfahren und dem Rapper fehlt jegliches Charisma. Der Grund, warum ich diesen Text aber trotzdem verfasse, ist im wesentlichen der, dass das für diesen Rapper durchaus etwas neues ist. Soll heißen: Bisher fand ich den Output von DaBaby eigentlich gar nicht so verkehrt, zumindest in der kurzen Zeit, die ich diesen überhaupt verfolgt habe. Aufmerksam wurde ich auf den MC aus North Carolina dabei anfang letzten Jahres, als er auf dem renommierten Freshmen-Cover des Hiphop-Magazins XXL aufgeführt wurde und sich dabei durchweg als einer der wahrhaft talentierten Künstler dieses Rasters etablierte. DaBaby war jemand, der genausoviel schicke Cloudrap-Credibility hatte wie echte lyrische Skills und sogar einen gewissen Tiefgang, was ihn zwischen schwammigen Croonern wie Lil Baby und klanglichen Abziehbildern wie Megan Thee Stallion zu einer positiven Überraschung machte. Eine Ahnung, die er einige Monate später auf seinem zweiten Album Kirk bestätigte, das nicht nur klanglich und performativ ziemlich fett war, sondern auch sehr intime Töne anschlug und ernsthaft Persönlichkeit zeigte. Zusammen mit diversen Fakten und wilden Gerüchten über seine kriminelle Vergangenheit (inklusive einem sehr realen Mordprozess, der in Bezug auf ihn gerne unter den Teppich gekehrt wird), schien das DaBaby zu einem Typen zu machen, der zwar kontrovers war, aber definitiv auch mehr zu bieten hatte als das bloße Aufzählen von Modemarken und verschreibungspflichtigen Medikamenten, was ihn immerhin zu einer Hoffnung machte. Und Kirk war dafür auf jeden Fall ein guter Anfang. Doch scheint für diese Art von Narrativ auf seinem neuesten Projekt eher wenig Platz zu sein und DaBaby eher Bock zu haben, sich im Stil seiner Kolleg*innen zu verlieren. Blame It On Baby ist so gut wie durchgängig eine Anbiederung an die Sorte Cloudrap, von der sich der Rapper im letzten Jahr eigentlich so angenehm unterschied und sammelt willkürlich die billigen Trends auf, die er bis jetzt immer clever umschiffte. In den etwas mehr als 30 Minuten, die diese Platte dauert, lässt er dabei vor allem viel von seiner lyrischen Stärke fallen. Sicher ist sein Flow hier nach wie vor etwas zackiger als der Szene-Durchschnitt und noch immer geht es hier im wesentlichen um roughen Kriminellen-Shit statt um Autos und Klamotten, trotzdem verliert er hier eben dadurch viel Charakter, dass er sich dabei auf erzählerische Allgemeinplätze reduziert und nicht seine Geschichte erzählt, sondern die jedes beliebigen Internet-MCs. Dass mit Quavo, Roddy Ricch und Megan th Stallion auch sehr langweilige Gastparts dabei sind, macht das nicht gerade besser. Wobei das sogar noch mehr oder weniger klar geht. Das weitaus schlimmste an dieser LP ist nämlich mit Abstand die ziemlich ekelhafte Produktion, die vor allem zeigt, wie kommerziell DaBaby hier plötzlich sein will. Dafür, dass dieser Typ so ein harter Kerl ist, ist es ziemlich bieder, wie er hier konsequent jedes zweite Schimpfwort wegmuten lässt, und das selbst im eigenlichen Explicit Cut. Das ist nicht etwa doof, weil ich DaBaby unbedingt fluchen hören will, sondern weil es einfach seinen Flow total stört und man schon irgendwie das Gefühl von Pfuscherei hat, weil es nachbearbeitet klingt. Hätte der Künstler selbst jugendfreie Texte gewollt, hätte er sie ja wahrscheinlich geschrieben. Was erschwerend hinzu kommt, sind die nervigen Producer Tags, die in so gut wie jedem Track dabei sind und so ungeführ den Coolnessfaktor von Werbebannern bei YouTube haben. Eigentlich sind solche Sachen ja Kleinigkeiten, doch wenn man bedenkt, dass die Stücke hier durchweg sehr kurz sind und es trotzdem immer mehrere Störfaktoren gibt, lenkt das einfach vom musikalischen Erlebnis ab. Und das ist ja an sich schon so eher mittelprächtig. Ich kann verstehen, dass DaBaby solche Sachen nicht zum Spaß macht und er am Ende des Tages wahrscheinlich genau diesen Mainstream-Appeal erreichen will, aber ich muss das deshalb noch lange nicht gut finden. Vor allem, da ihm offenkundig nicht das Talent fehlt, sich von der Masse abzusetzen und sein eigenes Ding zu machen. Und sicher wird das früher oder später auch passieren. Wenn sein Output in diesem Tempo weitergeht und er es schafft, weiterhin mehrere Alben pro Saison zu veröffentlichen, kann er schließlich beides tun: Eine hochwertige Story-Platte für die gute Presse aufnehmen und ein Pop-Mixtape für die Streamingzahlen. Ich wäre damit auf jeden Fall okay. Denn so kriege ich hoffentlich weiter gute Songs von ihm und er muss nicht gleich zu Quavo werden, damit die Knete stimmt. Was dann aber definitiv bedeuten würde, dass Sachen wie Blame It On Baby in die Ferner Liefen-Rubik abgeschoben werden. Denn schon diese Besprechung ist eigentlich eine zu viel.



Hat was von
Lil Pump
Harverd Dropout

Lil Yachty
Lil Boat

Persönliche Höhepunkte
Pick Up | Find My Way | Jump | Champion | Amazing Grace

Nicht mein Fall
Can't Stop | Find My Way | Rockstar | Blame It On Baby | Nasty


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