Freitag, 10. April 2020

I Fink U Fragwürdig

[ aggressiv | ungewohnt | plump ]

Eine der Bands, bei denen ich es am meisten schade finde, dass die letzten Winter in keiner der Favoritenlisten für die besten Sachen der Dekade auftauchten, ist definitiv Die Antwoord. Nicht nur weil ich seit ihrer ersten Platte großer Fan des Duos aus Kapstadt bin, ihren schrägen Stil unglaublich toll finde und sie den vergangenen zehn Jahren mit ihrer eigenwilligen Ästhetik einen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt haben, sondern vor allem, weil sie schon seit Ewigkeiten unglaublich konsistent in ihrer musikalischen Qualität sind. Von den vier vollwertigen Longplayern, die es zwischen 2010 und 2016 von ihnen gab, kann ich eigentlich jeden ohne größere Bedenken empfehlen, wobei das eigentlich tolle nicht ihre vielen Hits oder großartigen Höhepunkte sind, sondern wie genial sie als Album funktionieren. Insbesondere die beiden letzten LPs Donker Mag und Mount Ninji & the Nice Time Kid sind in Sachen Gesamtkonzept und Kohärenz von einer Hochwertigkeit, die man gerade im Hiphop selten erlebt und die ich deshalb gleich noch ein bisschen mehr mag. Und dass der generelle Sound, der darauf stattfindet, dermaßen gut gealtert ist und die beiden KünstlerInnen aus ihrem extrem schrägen und exotischen Ansatz eine erfolgreiche Mainstream-Marke machen konnten, ist gleichermaßen ziemlich erstaunlich. Man kann also zusammenfassen, dass Yolandi Vi$$er und Ninja in der letzten Dekade ziemlich viel richtig gemacht haben. Ich für meinen Teil würde sogar so weit gehen, sie als eine der wichtigsten musikalischen Acts dieser Periode zu bezeichnen, dessen immenser Einfluss gerade erst so richtig beginnt, einzusetzen. Was ein bisschen schade ist, denn allem Anschein nach ist eine weitreichende Zukunft für das Projekt ab 2020 bis auf weiteres nicht vorgesehen. Wie bereits zu ihrer Gründung angekündigt und nach dem Release ihrer letzten LP noch einmal bestätigt wurde, ist und war Die Antwoord schon immer eine Art planwirtschaftlich angelegtes Projekt, das von vornherein auf die Veröffentlichung von fünf Longplayern beschränkt werden sollte. Und wer gerade schon ein bisschen mitgezählt hat, wird festgestellt haben, dass House of Zef nun dieser fünfte Longplayer ist. Natürlich kann es sein, dass hinter dieser ganzen großen Idee am Ende nur eine cleverer PR-Masche steckt und die beiden in ein paar Jahren doch alles nicht mehr so ernst nehmen, aber für den Moment sieht es doch ganz so aus, als wäre das hier der offizielle Schwanengesang der SüdafrikenerInnen. Was als solches natürlich bedeutet, dass hierfür extra hohe Erwartungen angesetzt werden müssen. Als Finale Furioso einer bis dato fast lupenreinen Diskografie wäre House of Zef seinen Vorgängern im Idealfall nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen sein und den Sack mit der größtmöglichen musikalischen Geste zumachen. Und anhand ihrer bisherigen Arbeit hätte ich das Ninja und Yolandi durchaus zugetraut oder zumindest war ich der Meinung, eine befriedigende LP wäre hier schon deshalb in trockenen Tüchern, weil diese Band schon immer sehr gut war. Doch weit gefehlt: Ausgerechnet auf den letzten Metern ihrer glorreichen Karriere verkacken es die beiden zum ersten Mal so richtig. Und mit so richtig meine ich so richtig. House of Zef ist nicht ein bisschen schwächer als die letzten Platten, es ist nicht komisch aber okay und es ist auch nicht der ungewohnte linke Haken mit neuen, gewöhnungsbedürftigen Qualitäten. Nein, das hier ist ein absoluter Totalschaden von einem Album, der aus jeder Perspektive einfach nur unerklärlich ist. Und glaubt mit, ich habe inzwischen mit allen Mitteln versucht, mir das hier zu erklären. Als Fan der Band, für den ich mich ja nach wie vor halte, möchte man diese Platte ja auch irgendwie mögen und überlegt sich dann selbst Verschwörungstheorien, wie hier die eigenen Erwartungen ausgetrickst wurden und wie clever das hier eigentlich ist, was manchmal sogar funktioniert. Diesmal war aber alles umsonst und mein Ergebnis lautet nach wie vor: dieses Album ist schlicht und ergreifend furchtbar. Und ja, das hat durchaus damit zu tun, dass Die Antwoord hier erstmals ein paar wesentliche Dinge anders machen. Dinge, die sie in meinen Augen charakteristisch von sich selbst entfremden. So ist House of Zef ihre erste LP seit ihrem Debüt, die großzügig diverse Features einbezieht und damit eher die Ästhetik einer kollektivistischen Teamleistung einfängt als den Duo-Status der beiden zu zementieren. Das ist theoretisch kein Problem, nur sind viele dieser Gastparts nicht nur extrem plump und unpassend, sie sorgen auch dafür, dass vor allem Ninja sich hier Performance-technisch extrem zurückhält, womit ein wesentlicher Teil des Antwoord-Erlebnisses fehöt. Und setbst was man von ihm dann zu hören bekommt, ist meistens ziemlich enttäuschend. Was zum Beispiel soll sein dämlicher Pseudo-Monolog als australischer Partyhengst in My Life is A Porno bitte darstellen und warum ist er für dieses Album wichtig? Wieso klingen so viele Songs wie billige Traprap-Parodien von Ami-Künstler*innen? Warum gibt es in When the Sun Goes Out einen völlig auswechselbaren Track mit Sprachsample, der auch auf einer Postrock-LP hätte sein können? So viele kompositorische Entscheidungen hier sind einfach nur extrem fragwürdig. Ich finde es ja prinzipiell okay, dass Die Antwoord experimentieren, aber was hier passiert, sind meistens keine Experimente, sondern konzeptuell völlig depperte Schnapsideen, die billig inszeniert sind und absolut nichts zum Gesamterlebnis beitragen. Und gerade das hätte die Band hier gebraucht, denn auf ihre Kernkompetenzen verzichtet sie zu großen Teilen freiwillig. Es gibt einige Stücke wie Zonke Bonke oder Naai is'n Lekker Ding, in denen vor allem Yolandis Parts versuchen, den klassischen Spirit der letzten Platten zu reaktivieren, doch so gut wie nichts davon ist auch nur im Ansatz so stark wie ein Banana Brain, Fatty Boom Boom oder I Fink U Freeky und zum ersten Mal gelingt es ihr hier nicht, in 12 Tracks auch nur eine packende Hook zu performen. Das songwriterisch beste Stück hier ist am Ende mit Lambo Life eines, das auch von Lil Pump hätte sein können, was echt ein trauriges Resultat ist. Und während man beim hören noch wartet, dass House of Zef vielleicht doch noch in den Modus kommt oder wenigstens eine starke Nummer vorzuweisen hat, sind die 40 Minuten auch schon um und enden mit dem schmachtigen No 1 auch noch auf einem klanglichen Tiefpunkt. Was zumindest mich zum Schluss eigentlich nur noch mehr verstört: Warum verliert eine bisher immer konsequent geniale Band wie Die Antwoord nach vier stabilen Alben plötzlich so gut wie jedes Charisma und jede Qualität? Wie ist so eine Katastrophe möglich, wenn alle Parameter funktionell gleich sind und diese vorher immer das bestmögliche Ergebnis zur Folge hatten? Ich kann darüber nur spekulieren. Tatsache ist aber, dass ich jetzt tatsächlich hoffe, dass das hier doch nicht die letzte LP ist, die die beiden zusammen machen. Denn wäre sie es, würden Die Antwoord ihre Existenz mit einem peinlichen Abgang beschließen, der ihrer absolut nicht würdig ist. Und ich bin zumindest auch jetzt noch Fan genug, Ninja und Yolandi das nicht zu wünschen.



Hat was von
Rustie
Green Language

Little Big
Antipositive, Pt. 2

Persönliche Höhepunkte
Naai is'n Lekker Ding | Lambo Life | Don't Sleep

Nicht mein Fall
Open the Door | Zonke Bonke | My Life is A Porno | When the Sun Goes Out | Hosh Hosh Hosh | No 1


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