Donnerstag, 2. April 2020

Keine Kondition

[ eingängig | schmissig | vorhersehbar ]

Es lohnt im Vorfeld dieses siebten Albums von Little Dragon durchaus den gedanklichen Anlauf, um einmal kurz innezuhalten und sich vor Augen zu führen, dass diese Band inzwischen auf eine Karriere von bald 25 Jahren zurückblickt, Stand 2020 also genauso lange existiert wie etwa Linkin Park, Coldplay oder Nightwish. Was sogar noch beachtlicher anhand der Tatsache wird, dass es in diesem Vierteljahrhundert keine einzige Neubesetzung innerhalb des Quartetts gab und die Schweden noch immer mit dem gleichen Lineup wie am ersten Tag auftreten. Bei solchen harten Fakten mag es daher verwunderlich sein, dass Little Dragon immer noch so ein bisschen so wirken, als wären sie gerade erst ein paar Jahre unterwegs und hätten sich stilistisch noch nicht so richtig gefunden. Sicher, ihr großer Durchbruch in der Indie-Szene kam tatsächlich erst vor ungefähr zehn Jahren, nachdem Damon Albarn ihnen prominente Gastparts auf seinem Opus Magnum Plastic Beach verpasste, doch selbst diese Zeit sollte eigentlich reichen, um eine einigermaßen eigene Ästhetik zu finden. Stattdessen jedoch haben sich die Schweden gerade in dieser Phase als musikalisch extrem unstet gezeigt und vor allem herumprobiert. Noch immer wissen Little Dragon anscheinend noch nicht so richtig, ob sie nun eingängige, Pop-affine Indiedarlings sein wollen, ernsthafte Electronica-Frickler oder entrücktes Kammerpop-Projekt. Und so ist es bis zuletzt immer ein bisschen ein Glücksspiel gewesen, auf welcher Ausprägung ihrer Ästhetik die Band auf ihrem jeweiligen neuen Album diesmal landet. Wobei zumindest die letzten Sachen ein paar ziemlich gute Treffer waren. Nach dem etwas ungünstigen Nabuma Rubberband von 2014 nahm sich die Band drei Jahre später auf Season High zusammen und präsentierte ein sehr charismatisches Synthpop-Album mit etwas experimentellerer Ausprägung, das die EP Lover Chanting 2018 mit dem kompletten Gegenteil kontrastierte. So unschlüssig Little Dragon in ihrer Gesamtausrichtung also auch waren, wenigstens schrieben sie gute Songs. Und im Bezug auf New Me, Same Us machte mich das natürlich optimistisch. Doch genau an dieser Stelle hat diese Band letztendlich immer einen linken Haken für mich übrig, was im Klartext bedeutet, dass diese neue Platte leider ein kleines bisschen ernüchternd ist. Dabei machen Little Dragon vom Prinzip her eigentlich vieles richtig. Klanglich ist das Album ein leichter Throwback in den melodischeren Zwotausender-Stil der Schweden und ein bisschen auch die Fortsetzung des Sounds von Lover Chanting, was in den meisten Fällen mehr Catchyness und bessere Hooks bedeutet. Und viele Eigenschaften der Produktion von New Me, Same Us sind vielleicht die besten, die ich bei dieser Gruppe je gehört habe. Besonders das Mixing von Bass und Gesang ist hier absolut on point und sorgt für eine Art organischen Disco-Vibe, der sehr gut in das fluffige Ambiente der Tracks passt. Fast alle Stücke fühlen sich letztendlich auch sehr an wie eingängige Popsongs und man ist auf den ersten Blick geneigt, das sehr cool zu finden. Nur fehlt eben doch ein gewisses Etwas daran, und dieser Hund liegt dann häufig im Songwriting begraben. Dabei ist die kompositorische Falle, die Little Dragon hier aufstellen, einigermaßen clever. Viele Tracks wie der Opener Hold On oder New Fiction beginnen mit sehr schmissigen, coolen Motiven, die mächtig Laune machen, brauchen dann aber auch nur wenige Minuten, um diese in ziemlich repetetives Wischiwaschi versanden zu lassen, das bei weitem nicht so sehr fetzt. In den besten Fällen reißen sie sich selbst durch eine gute Hook wieder aus dieser Monotonie, manchmal ist aber auch die Luft raus. Und so sind viele Songs am Ende eben nicht so stark, wie sie im ersten Moment wirken. Zu den heimlichen Favoriten dieser LP werden dadurch am Ende sogar stillere Nummern wie Water oder Stay Right Here, die sich gar nicht erst an aufbrausenden Disco-Motiven versuchen, sondern in ihrem Minimalismus viel deutlicher sind und deshalb gar nicht erst so abfallen. In den meisten Fällen ist die Konsequenz aber leider, dass Little Dragon etwas uninspiriert eine leicht schwächere Version ihres selbstbetitelten Albums aufführen. Und das ist schade, aber auch irgendwie immer schon der Lauf der Dinge bei den Schweden. Mit den letzten beiden Platten gab es eine kurze richtig gute Phase, die hier wieder in ein kleines Formtief übergeht, das dann den nächsten stilistischen Sprung inspiriert. Es sind solche kleineren Durchsetzungslücken, die es ermöglicht haben, dass Little Dragon es durch 25 Jahre Lebensdauer geschafft haben, ohne jemals so richtig aufzufallen und auch in der näheren Zukunft wird es das große Opus Magnum von ihnen wahrscheinlich nicht mehr geben. Aber das ist okay, weil alle paar Jahre eben sehr zuverlässig eine echt coole Platte um die Ecke kommt. Nur New Me, Same Us ist das halt gerade nicht.



Hat was von
Kali Uchis
Isolation

Caribou
Swim

Persönliche Höhepunkte
Hold On | Every Rain | Sadness | Stay Right Here | Water

Nicht mein Fall
Rush | New Fiction


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