Dienstag, 7. April 2020

On the Level

[ gediegen | funky | smooth ]

Es steht nun mittlerweile schon seit gut einem halben Jahrzehnt völlig außer Frage, dass Stephen Burner aka Thundercat wohl einer der wichtigsten Protagonisten der neuen Wellen ist, die gerade im Bereich Jazz-Fusion ausgesendet werden und die seit geraumer Zeit schon ein ganzes Genre verändern. Als inoffizieller Juniorpartner des großen Flying Lotus und versierter Studiomusiker für zahlreiche Brainfeeder-Acts ist der Bassist mit seinem sehr eigenen Sound zwischen Funk, Jazz, Soul und Hiphop einer der elementaren Hintermänner des Signaturstils der Brainfeeder-Bubble in den letzten Jahren und darüber hinaus wesentlicher kreativer Bezugspunkt für Kollegen wie Kendrick Lamar, Kamasi Washington, Steve Lacy und Anderson. Paak. Stand 2020 ist sein Einfluss für viele prestigeträchtige Projekte der vergangenen Dekade unbestreitbar, was ein bisschen seltsam ist, weil diese Qualität von Thundercat eine ist, die seit Beginn seiner Karriere anscheinend nur auf der Arbeit anderer Leute auftaucht. In den etwas über zehn Jahren, die der Kalifornier nun schon Solomaterial aufnimmt, war diese Musik gegenüber seiner Auftragsarbeit so gut wie immer im Hintertreffen. Abgesehen von einigen ausgewählten Tracks und Singles, die ich in der Vergangenheit sehr mochte, gab es nie wirklich ein ganzes Album, auf dem Burner mich vollends überzeugte und es schien, dass sobald er selbst die kreative Kontrolle über seinen Output bekam, nicht so richtig konsequent war. Platten wie the Golden Age of Apocalypse und Drunk waren zwar voll von virtuoser Brillianz und coolen Vignetten, wirkten aber auch sehr zerstreut und unfokussiert. Wobei das Hauptproblem war, dass Thundercat versuchte, in vergleichsweise kurzer Zeit möglichst viele Ideen zu verwursten, was die meisten Songs eher zu Skizzen machte und ziemlich frustrierend war. Und ich muss der Fairness halber sagen: Substanziell überwindet auch seine neueste LP It Is What It Is diese schlechte Angewohnheit nicht. Mit 15 Tracks in 37 Minuten ist diese Platte noch immer ziemlich vollgestopft und kurzatmig, was definitiv zu ihrem Nachteil funktioniert. Die gute Nachricht ist jedoch: Innerhalb dieser Struktur ist sie das beste, was Burner in seiner gesamten bisherigen Karriere fertiggebracht hat. Was vor allem daran liegt, dass er sich hier auch länger als zwei Minuten auf das Vervollständigen eines Songs fokussieren kann. Dieses Album überzeugt mich in seiner Gesamtheit vor allem dadurch, dass es stilistisch sehr vielseitig ist und viele Dinge ausprobiert, diese aber auch mit einer gewissen Gründlichkeit behandelt und Ansätze ausformuliert. Wo Stücke wie I Love Louis Cole, Unrequited Love oder How I Feel auf dem Vorgänger wahrscheinlich nur unfertige Ideen geblieben wären, sind sie hier gut geschriebene Songs, die ihren Vibe auch über einen längeren Spannungsbogen halten können und allein das bringt Thundercat schonmal meilenweit voran. Wo es bisher von ihm nur schnelle, mäßig wirksame Oneliner gab, sind die Zoten, die er auf It Is What It Is vorträgt, wesentlich geduldiger und weitläufiger aufgebaut, was trotzdem nicht heißt, dass sie langwilig würden. Es sind die Dinge wie das Interlude, das inhaltlich zwischen Overseas und Dragonball Durag vermittelt und inhaltlich zwar ein bisschen Banane ist, aber eben auch zeigt, dass diese Platte weiterdenken kann als nur die nächsten fünf Takte. Und das macht sie als Gesamtheit wesentlich genießbarer und wertvoller als die vorherigen Sachen von Thundercat. Um seinem eigentlichen Talent wirklich in Gesamtheit gerecht zu werden, reicht es zwar immer noch nicht ganz und rein spielerisch-technisch geht er hier sogar ein paar Schritte zurück, doch es fühlt sich mehr wie ein Album an und das ist für mich letztendlich der wichtigste Faktor. Obwohl Thundercat also weiterhin ohne eigenes Meisterwerk bleibt, ist das hier von nun an immerhin eine gute Empfehlung für alle, die nach seinen Gastparts auch ein bisschen mehr wollen.



Hat was von
Steve Lacy
Apollo XXI

Kamasi Washington
Heaven & Earth

Persönliche Höhepunkte
Interstellar Love | I Love Louis Cole | Black Qualls | Dragonball Durag | How I Feel | Unrequited Love | Fair Chance

Nicht mein Fall
Overseas


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