Dienstag, 14. April 2020

Forever 2001

[ zahm | nostalgisch | gemütlich ]

Es mag daran liegen, dass vielleicht einfach zu jung dafür bin und nicht das Gefühl kenne, Platten wie Is This It? oder Room on Fire damals unmittelbar erlebt zu haben, doch ich habe 2020 kein Problem mit den Strokes. Der generell herrschende Unmut, der seit etlichen Jahren über ihrem neueren Output liegt, ist mir persönlich des öfteren unbegreiflich und ich Frage mich, was vor allem ihre früheren Fans eigentlich für ein Problem haben. Ich meine wenigstens waren die vier ehrlich mit uns. Als sie vor etwas über zehn Jahren doch noch mal ihre kollektiven Ärsche hochkriegten und sich an einem Comeback versuchten, geschah das ganz transparent auch aus einer kommerziellen Motivation heraus und dass darin nicht mehr die gleiche Leidenschaft wie 2001 lag, war ebenfalls schnell klar. Angesichts dessen kann man eigentlich erstaunt sein, wie vernünftig die Ergebnisse seitdem waren. Mit Angles war das erste Album der Wiedervereinigung eines, das mit der ersten Inkarnation der Strokes durchaus mithalten konnte und Comedown Machine war zwei Jahre später immerhin ziemlich solide. Und obwohl es mich schon ein bisschen überraschte, dass es jetzt, sieben Jahre nach der letzten LP, doch nochmal einen Nachfolger geben sollte, war ich demgegenüber zumindest nicht negativ eingestellt. Es war in meinen Augen nur so, dass eigentlich niemand dieses Album brauchte. So gut wie alle Mitglieder der Band haben mittlerweile in verschiedenen anderen Gruppen ihre Schäfchen ins Trockene gebracht, der alte Plattenvertrag mit RCA wurde mit Comedown Machine erfüllt und allem Anschein nach ist keines der Mitglieder gerade noch mit großer Leidenschaft dabei. Gerade Julian Casablancas hat mit den Voidz zuletzt eigentlich die Formation etabliert, die ziemlich eindrucksvoll das musikalische Erbe der Strokes angetreten ist und ihn kreativ ordentlich auslastet. Aber wahrscheinlich springt am Ende doch das größere Plus dabei raus, wenn für eine Platte noch einmal der verheißungsvolle Name der Nuller-Indie-Pioniere obendrüber steht und sich ein paar nostalgische Mittdreißiger mehr auf die inzwischen wahrscheinlich verschobene Tour verirren. Die große Frage ist nur: Was erwarte ich 2020 von einem Strokes-Album? Denn zweischneidig ist die Sache schon irgendwie. Auf der einen Seite haben sich die New Yorker zuletzt zwar als Band gezeigt, die pflichtbewusst ihren Job macht, aber auch nicht mehr viel von sich selbst will. Die Songs stimmen soweit, aber es wäre wohl sehr naiv, dieser Tage ein künstlerisch hochwertiges Produkt mit kreativem Impulscharakter von ihnen zu verlangen. Wobei es zum anderen ja auch nicht so ist, dass die einzelnen Mitglieder prinzipiell lahm geworden wären. Vor allem Casablancas war auf den letzten beiden Voidz-Platten mitunter ziemlich wüst unterwegs und auch Albert Hammond Jr. und Fabrizio Moretti machten zuletzt recht charismatische Musik. Klinisch tot sind die Bestandteile der Gruppe also nicht, nur passen die einzelnen künstlerischen Visionen anscheinend nicht mehr zu den Strokes, die sich die Strokes selbst so vorstellen. Und auch die Promophase war in dieser Hinsicht etwas verwirrend. Mit At the Door veröffentlichte die Band als Leadsingle ein unerwartetes Highlight mit vielen neuen und spannenden Elementen, die zweite Auskopplung Bad Decisions war allerdings auch wieder ziemlich konservativ, was die Richtung der LP zur Spekulation offenlegte. Und letztendlich muss man sagen, dass dabei leider wieder die nostalgische Reproduktion die Oberhand gewinnt. The New Abnormal ist eine Platte, die sich zwischen Erbverwaltung und klanglicher Progression nicht so richtig entscheiden kann und deshalb einfach beides macht. Wobei sie in meinen Augen leider ein bisschen herumdümpelt. Zwar mag ich gewisse stilistische Entscheidungen hier sehr gerne, wie den deutlich besser gewordenen Einsatz von Synthesizern und die chillige Ästhetik in Songs wie Selfless oder Why Are Sundays So Depressing, doch ist sie weder besonders umfassend noch tatsächlich originell. Und können wir bitte mal darüber reden, wie flachbrüstig die gesamte Produktion der Platte ist, obwohl die Strokes mit Rick Rubin extra jemanden eingestellt haben, der normalerweise jede Band fett und großkotzig klingen lässt? Es ist tatsächlich ein bisschen so, als könne man diese vier Jungs in gewissen Punkten einfach nicht aus ihrer Komfortzone kriegen, in der sie jetzt schon seit gut und gerne 20 Jahren herumlümmeln. Dabei hätte ihr Sound gerade das bitter nötig. Nicht weil er madig geworden wäre, auf the New Abnormal klingt er ein weiteres mal überraschend okay, eher deshalb, weil die Strokes das nicht nötig haben. Als eine Gruppe von erwiesenermaßen talentierten Musikern, die ja sonst auch sehr erwachsene Sachen machen, ist es jedes Mal komisch, von ihnen in dieser Fuktion jene faulenzige Variante einer Ästhetik zu hören, die sie als Zwanzigjährige etablierten und die einfach altbacken ist. Für eine Band ihres Rufs ist es in meinen Augen ein bisschen beschämend, dass sie nach zwei Dekaden und sechs Longplayern noch immer nicht darüber hinweggekommen sind, eine leicht ans Zeitgefühl angepasste Version ihres Debüts zu machen. Das ist zumindest nicht das Niveau einer Band, die mit neuen Platten regelmäßig noch ein großes Medienecho auslöst, sondern das von Acts wie Franz Ferdinand, für die sich zu recht keine Sau mehr interessiert. Wenn es nach mir geht, bleibt es also bei meiner anfänglichen These: Die Strokes von 2020 sind schon okay, die wirklich interessante Musik findet mittlerweile aber in ihrer Periphärie statt. Und Platten wie the New Abnormal sind wahrscheinlich nur dann von Belang, wenn eine gewisse Nostalgie dabei eine Rolle spielt. Was zu meinem Glück bei mir nicht der Fall ist.




Hat was von
Phoenix
Alphabetical

Arctic Monkeys
Tranquility Base Hotel & Casino

Persönliche Höhepunkte
Selfless | Bad Decisions | At the Door | Why Are Sundays So Depressing

Nicht mein Fall
Brooklyn Bridge to Chorus

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