Mittwoch, 29. April 2020

Kalis Kontrollvisite

[ gemütlich | verspielt | sexy ]

Es ist jetzt ziemlich genau zwei Jahre her, dass die kolumbianische Sängerin Kali Uchis im April 2018 mit ihrem kommerziellen Debüt Isolation meine Welt erschütterte. Noch immer könnte man mich wahrscheinlich mitten in der Nacht aufwecken und mich mit vorgehaltener Pistole fragen, was ich an dieser LP finde, ich würde mindestens eine halbe Stunde ins Schwärmen geraten. Denn weniger als eine Offenbarung für gut gemachten, neo-souligen Pop mit leichtem Latin-Flavour war die besagte Platte bei aller Bescheidenheit nicht. Was jedoch ihr bis heute wichtigster verdientst sein dürfte, war Kali Uchis von einer talentierten Newcomerin, die bei Kenner*innen der Szene die Runde machte, in den Status eines echten Pop-Geheimtipps zu hieven und auch noch zwei Jahre später kreuze ich regelmäßig die Finger, dass diese Frau eines Tages mal ein echter Popstar wird. Mit den Unternehmungen, die von ihr seit dem Release von Isolation ausgegangen sind, sieht es danach aber erstmal eher nicht aus. Ehrlich gesagt war bei der Kolumbianerin die meiste Zeit wenig bis nichts los. Alles, was Uchis nach ihrem Debüt bisher zustande brachte, war eine Remix-Version von After the Storm, die ziemlich mittelmäßige Zwischendurch-Single Solita von diesem Winter und ein paar routiniert gute Features für Leute wie Kaytranada, Anderson.Paak und Miguel. Und an sich ist das ja kein Problem, denn schon vor Isolation waren genau diese Dinge wesentliche Faktoren für den Erfolg der Künstlerin und bereiteten den Weg dorthin, wo sie heute steht. Nur hatten viele der Auftritte von damals den Vorteil, das sie Uchis' musikalischen Charakter prägten, was seit einiger Zeit leider nicht mehr so ist. Mehr und mehr habe ich stattdessen das Gefühl, dass die Sängerin eine Art Allzweckwaffe wird, die bestimmte Musiker*innen immer dann auf ihre Platte holen, wenn sie in ihren Songs jenen soften retro-souligen Sexjam-Vibe erzeugen wollen, den diese Sängerin so nonchalant zu erzeugen vermag. Und in gewisser Weise hat das ihre Musik ein bisschen abgestumpft, da sie sich dadurch stellenweise etwas sehr dienstleistendes angeeignet hat. Mir als Liebhaber ihrer Ästhetik macht natürlich etwas Angst, denn auf ähnliche Weise sind schon viele talentierte Künstler*innen vor ihr zu bloßen musikalischen Gimmicks verkommen und um ein Nate Dogg zu werden, ist Kali Uchis eindeutig zu vielversprechend. Zeit also, dass es endlich wieder eigenes Material von ihr gab. Und obwohl es mit To Feel Alive doch wieder nur eine lumpige Zehn-Minuten-EP statt eines richtigen Nachfolgers geworden ist, erfüllt diese zumindest das Einstiegsniveau an Uchis-Faktor, das hinreichend die Frage klären kann, ob die Kolumbianerin noch das Feuer ihres Debüts hat. Wobei die Antwort sowohl ja als auch nein lautet. Die vier Songs auf diesem Format, die sich alle um Stationen ein und derselben Beziegung drehen, sind nach wie vor ziemlich stabile R'n'B-Nummern, die den Stil von Isolation zumindest vom Grundkonzept her fortführen, doch sind sie definitiv nicht das gleiche. Zum einen, weil sich die Produktion hier vorsichtig aber bestimmt an ätherischen Cloudrap-Sounds und verrasselten Hi-Hats bedient, die zumindest ein bisschen kommerzieller klingen als der winehouse'sche Neo-Soul von zuletzt. Zum anderen aber auch, weil die Songs hier schlichtweg nicht so stark sind. Oftmals bedienen sie sich zwar der bewährten Palette an wirkungsvollen Uchis-Tricks und lyrisch ist vieles wesentlich direkter und persönlicher, doch sind die Hooks durchweg etwas dünner, die Instrumentals ein bisschen farblos und man bekommt im allgemeinen keinen so intesiven Vibe kommuniziert wie auf Isolation. Das ist zwar auch absolut kein Weltuntergang, denn schließlich ist der Vergleich zum letzten Album, wo jeder Track ein absoluter Welthit war, ein bisschen unfair. Doch ist es bei einer Platte von dieser Sängerin schon irgendwie bedenklich, wenn mir am Ende eines Durchlaufs kein einziger der vier Songs im Ohr stecken bleibt. Und ganz ehrlich: Auch wenn ich ihre Musik nach wie vor ziemlich klasse finde, ist sie künstlerisch nicht an dem Punkt, wo ihre inhaltliche Stärke fehlende Catchyness entschuldigen würde. Womit vieles an To Feel Alive letztlich nicht mehr ist als eine kurze Versicherung. Ja, Kali Uchis kann weiterhin toll singen und ihre Musik passt soweit auch, spektakuläres neues Material gibt es hier aber noch nicht. Wobei meine naive Hoffnung ist, dass sie dieses für ein größeres Release im Laufe des Jahres aufspart, das dann vielleicht doch wieder so reinhaut wie Isolation vor zwei Jahren. Ich sage nicht, dass ich es brauche, aber schaden würde es definitiv auch nicht.



Hat was von
Amy Winehouse
Frank

the Internet
Hive Mind

Persönliche Höhepunkte
I Want War (But I Need Peace) | To Feel Alive

Nicht mein Fall
-


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