Sonntag, 13. Dezember 2020

Tausend heiße Latin Flavours

Kali Uchis - Sin miedo (del amor y otros demonios) ∞  


[ neosoulig | gemütlich | kommerziell ]

Es war ob ihres bisherigen Outputs keinesfalls abwegig, Kali Uchis zumindest teilweise als Latinpop-Künstlerin zu bezeichnen, trotzdem war ich mit dieser Zuordnung bisher immer sehr zögerlich. Denn obwohl es einen durchaus bedeutenden Teil ihrer Musik gibt, der stilistisch in diese Richtung tendiert, ist sie mindestens genauso viel anderes. Die Sachen, die mir aus ihrer frühen Karriere sowie auf ihrem tollen Debüt Isolation von 2018 primär auffielen, gingen dem sogar oft entgegen. Für mich war Uchis in erster Instanz immer eine klassisch fixierte Neosoul- und R'n'B-Künstlerin, die vor allem an Leute wie Amy Winehouse oder Syd tha Kid erinnerte. Und nur weil sie dabei des öfteren lieber spanisch als englisch sang, war das noch lange keine legitime Latin-Assoziation. Die paar Exkurse, die sie ab und zu in Richtung Reggaeton oder Bolero machte, waren für mich eher Ausreißer. Was aber natürlich nicht heißen sollte, dass das für immer so bleiben muss. Denn bereits ihr zweites Album Sin Miedo (Del Amor Y Otros Demonios) ∞ gibt mir persönlich den Anlass, genau diese Zuschreibungen zu überdenken. Zumindest in der Hinsicht, dass gewisse Latinpop-Elemente hier eine wesentlich größere Rolle spielen und recht offensichtlich versucht wird, sich an einen entsprechenden Mainstream-Trend anzugliedern. Gesungen wird dabei nicht nur überwiegend in spanisch, auch vermengt sich der smoothe Matratzen-Soul der Kalifornierin zunehmend mit Impulsen aus diversen lateinamerikanischen Pop-Phänomenen. Immer wieder tauchen hinter den schnuffelugen R'n'B-Melodien von Uchis dominierende Reggaeton-Beats auf, viele Songs orientieren sich an den klanglichen Ideen, die zuletzt Leute wie Bad Bunny und J Balvin erfolgreich machten und mit Features von Jhay Cortez und Jowell & Randy wird auch die Szene selbst einigermaßen repräsentiert, in der Uchis selbst ja höchstens mit einem Fuß steht. Dass Kali Uchis hier komplett überläuft heißt das aber trotzdem nicht. Eher, dass sie ihren Sound weiterentwickelt und diversifiziert. Die Ästhetik von Isolation ist hier nach wie vor deutlich erkennbar, nur eben neu ausgehandelt und in einer frischeren, zeitgemäßeren Form. Und in vielen Punkten finde ich das auch einen guten Schritt. So gut wie das gesamte Songwriting hier ist noch ein bisschen überraschender und cleverer als auf dem Debüt, außerdem bearbeitet die Künstlerin insgesamt ein größeres Spektrum. Wo ein Ángel Sin Cielo ein bisschen mit Flamenco experimentiert, ist ¡Aquí Yo Mando! mit Rico Nasty ein veritabler Trap-Banger für die Hiphop-Fans und Vaya Con Dios ähnelt sogar einer oldschooligen Shirley Bassey-Nummer. Zwar war stilistisch auch Isolation sehr kreativ und vielschichtig, doch ist Sin Miedo was das angeht zusätzlich auf angenehme Weise ein unberechenbar, was einfach super spannend ist. Eine Konsequenz, die ich dabei aber eher nachteilig finde ist, dass die Produktion etwas flachbrüstig klingt und nicht soviel Bums in die eingängigen Parts dieser Platte bringt wie beim Vorgänger. Ob des tollen Songwritings kann ich darüber allerdings meistens hinwegsehen und an vielen Stellen hat dieser Faktor mich auch sonst für dieses Album begeistert. Grundsätzlich tat ich mich am Anfang etwas schwer damit, wie sehr sich Sin Miedo klanglich und ästhetisch von seinem Vorgänger unterscheidet, je öfter ich die Songs jetzt allerdings gehört habe, desto mehr bin ich überzeugt, dass die beiden qualitativ nicht zu weit voneinander abfallen. Ehrlich gesagt ist es sogar cool, wie Kali Uchis hier nochmal einen komplett anderen Entwurf ihres damaligen Sounds präsentiert, der das, was ihren Erstling so cool machte, in eine etwas andere Richtung lenkt. Und wenn Sin Miedo eines besser machen könnte als Isolation, dann diese Frau auch im Mainstream etwas größer zu machen und ihr auch mal ein paar wohlverdiente Chartplatzierungen zu klären. Denn die sind in meinen Augen das einzige, was ihrer Musik wirklich noch gefehlt hat.


Hat was von
Ariana Grande
Thank U, Next

Teyana Taylor
K.T.S.E.

Persönliche Höhepunkte
//Aguardente y limón %ᵕ‿‿ᵕ% | ¡Aquí Yo Mando! | Vaya Con Dios | Quiero Sentirme Bien | Telepatía | De Nadie | No Eres Tu (Soy Yo) | Te Pongo Mal (Prendelo) | La Luz (Fín) | Ángel Sin Cielo

Nicht mein Fall
-

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