Dienstag, 1. Dezember 2020

Der X-Faktor

Little Mix - Confetti 


[ catchy | kommerziell | sexy ]

Ich habe auf diesem Format schon viel über Pop gesprochen und inzwischen wenige Berührungsängste, wenn es um kommerzielle Musik geht. Es war nicht immer so, doch halte ich mich mittlerweile für jemanden, der einem Justin Bieber ebenso unvoreingenommen begegnen kann wie einem Justin Vernon und für Songs von Blackpink hier genauso Platz hat wie von Black Thought. Trotzdem ist es ein seltsames Gefühl, hier über eine Band wie Little Mix zu schreiben. Denn das hier ist eben kein Abel Tesfaye, der sich entschieden hat, sein großartiges musikalisches Talent möglichst profitabel einzusetzen, sondern ganz effektiv eine Reißbrett-Band. Jessica Nelson, Leigh-Anne Pinnock, Jade Thirnwall und Perrie Edwards gewannen 2011 die achte Staffel des britischen Ablegers von the X Factor, sind also sowas wie die legitimen Thronfolger*innen von One Direction und damit eine nach allen Regeln der Kunst zusammengecastete und zurechtgestutzte Girlgroup nach Neunziger-Vorbild. Nicht dass das prinzipiell ein Problem wäre, über BTS und Harry Styles habe ich hier schließlich auch schon geschrieben, doch ist es gefühlt doch noch was anderes. Wahrscheinlich haftet dieser Art von Gruppe hierzulande einfach noch immer ein starkes Stigma an, bei dem man an Pietro Lombardi, Monrose und Lena Meyer-Landrut denkt. Was aber egal ist, wenn das Ergebnis so gut ist wie in diesem Fall bei Confetti, einem Pop-Album, das wieder mal zeigt, dass maximaler Sellout alles andere als minimale Qualität bedeuten muss. Und das hier ist definitiv kommerziell wie nichts gutes. Auch wenn Litte Mix allem Anschein nach nicht mehr ganz die unmündigen Musikindustrie-Marionetten zu sein scheinen wie viele Neunziger- und K-Pop-Formationen (Es gab im Vorfeld wohl einen Wechsel von Label und Management), merkt man das nicht gerade an ihrer Musik. Das hier ist die Art von Pop, die noch primär fürs Radio gemacht ist statt für Spotify oder Tiktok und sich deshalb auch ein kleines bisschen altbacken anfühlt, eben ein bisschen nach Castingshow. Gleichzeitig ist dieses Album aber auch die maximal veredelte und würdevolle Ausprägung dessen, was diese Pop-Variante sein kann, vergleichbar mit Acts wie Destiny's Child, Taylor Swift oder eben BTS. Und man merkt den Songs hier ganz deutlich die Erfahrung an, die Little Mix inzwischen schon haben. Mit fast einer Dekade gemeinsamer Laufbahn, in der sie durchweg extrem erfolgreich waren (nicht unbedingt in Deutschland oder ihrer Heimat, dafür aber umso krasser in Australien und Brasilien) sind sie inzwischen an einem Punkt, an den wenige solcher Bands kommen und sie wirklich wissen, was sie wollen. Die Chemie zwischen den vier Performerinnen ist perfekt geölt, das Songwriting passt zu ihren stimmlichen Charakteristiken und ich habe auch durchaus den Eindruck, dass sie hier gewisse Messages haben. Zwar schreiben die Bandmitglieder selbst nur eine handvoll der Songs, doch haben alle davon eine angenehm toughe Attitüde und Coolness. Das hier wirkt keinesfalls wie eine Platte, die von vorn bis hinten vom Management aufdiktiert wurde und selbst wenn sie es wäre, wäre das Ergebnis zumindest künstlerisch stimmig. Ein Statement würde ich es noch nicht nennen, aber stand Confetti sind Litte Mix eine Band, die ich irgendwann da sehen könnte. Für den Moment sind sie zumindest ein Zeichen dafür, wie cool das Konzept Girl- beziehungsweise Boyband funktionieren kann, wenn es richtig angepackt wird. Und das geht mir tatsächlich zum ersten Mal so.


Hat was von
Katy Perry
Smile
 
BTS
Map of the Soul: 7
 
Persönliche Höhepunkte
Sweet Melody | Confetti | Nothing But My Feelings | Rendezvouz | If You Want My Love | Breathe
 
Nicht mein Fall
Gloves Up
 

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