Donnerstag, 3. Dezember 2020

HBO oder Netflix?

Ólafur Arnalds - Some Kind of Peace 


[ still | gefällig | ätherisch ]

Ólafur Arnalds ist in meinen Augen ein Künstler, an dem ich von der Sache her eigentlich nichts auszusetzen habe. Er ist ein talentierter, stimmungsvoller Ambient-Musiker mit klassischer Ausprägung, der sich mit seinen Projekten stehts große Mühe gibt, alles in allem sehr kreativ ist und kompositorisch als großer Feingeist durchgeht. Dass er gerade in den letzten zehn Jahren damit mehr und mehr Erfolg zu haben scheint, ist eine Sache, die ich ihm aus tiefstem Herzen gönne und so ziemlich alles, was ich bisher von ihm gehört habe, mochte ich irgendwie. Andererseits ist Ólafur Arnalds auch durchaus ein Künstler, den man sehr gut scheiße finden kann und der in gewisser Hinsicht eine gute Zielscheibe für snobistische Nerd-Kritik abgibt. Seit Beginn seiner Karriere ist sein ästhetischer Aufhänger jene Form von orchestral unterfüttertem Ambient-Artpop, den Sigur Rós in den späten Neunzigern berühmt machten und den er schon immer auf etwas gefälligere Weise wieder aufzuwärmen wusste. Damit ist er nicht nur ein ganzes Stückchen kommerzieller unterwegs, sondern repräsentiert auch die anbiedernde Seite des Klischees von ätherischer, mystischer Popmusik aus Island, die sich in der Weltöffentlichkeit inzwischen breit gemacht hat und extrem nervig ist. Er ist der Mann für die Jobs, bei denen Sigur Rós, Björk oder Múm zu verkunstet und kantig sind, weshalb er vor allem im Bereich Filmmusik mittlerweile einen mächtigen Stein im Brett hat. Dass Jónsi damals für HBO Songs schrieb und er für Netflix, zeigt ziemlich gut, womit wir es hier zu tun haben. Denn Arnalds ist das gleiche Prinzip, nur ohne den ganzen artsy Vorbau, der für die Laufkundschaft eh zu anstrengend ist. Weshalb er gerade von den ultracoolen Fans dieser Musik immer etwas verschmäht wird. Beide Standpunkte finde ich auf gewisse Weise berechtigt, wobei mein Take ist, dass Arnalds' Musik gut ist, aber eben nicht wirklich besonders. Und Some Kind of Peace ist ein weiteres Album, das diesen Zustand sehr schön illustriert. Die zehn Songs hier sind allesamt sehr feingeistig und ätherisch, trauen sich große sinfonische Gesten, balancieren wunderbar auf dem Grat zwischen Ambient-Pop und Klassik und sind alles in allem sehr wohltuend. Abgesehen davon haben sie allerdings nicht viel zu bieten. Das soll nicht etwa heißen, dass sie mittelmäßig wären, ich mag sie sogar sehr gerne. Nur hat Some Kind of Peace nichts, was Arnalds von einem Nils Frahm oder Yann Tiersen unterscheidet (zu denen ich im übrigen ähnliche Standpunkte habe). Es ist die gleiche Art wohlfühliger, leisetreterischer und gemütlicher Ambient-Musik, die so schön berührungsarm und unintensiv ist, dass man sie nicht doof finden kann. Und sie ist sehr gut darin. Allerdings existiert sie für mich damit eher auf einem Level mit Lofi-Hiphop-Streams auf Youtube oder Kaminfeuer-DVDs als mit Musik, die durch ihren Charakter überzeugt. Und dann sind es eben auch diese Stellen, die hier die Qualität ausmachen und nicht etwa jene, in denen versucht wird, aus dem huscheligen Konzept auszubrechen. Wenn diese Songs so herrlich einlullend sind, wer zum Teufel braucht dann bitte das JFDR-Feature in Back to the Sky oder das O-Ton-Intro von Undone? Das sind doch nur inkonsequente Momente die stören, statt weiter zu berauschen. Zum Glück gibt es davon nur sehr wenige und der Großteil der LP ist in mummeliges Klimpern und Plätschern gehüllt. Wenn man das als größten Pluspunkt dieses Künstlers akzeptieren kann, kann man Ólafur Arnalds akzeptieren. Und ich für meinen Teil kann das inzwischen sehr gut. Auch wenn ich als eiserner Sigur Rós-Ultra natürlich weiterhin demonstrativ die Nase rümpfen werde und meine ernsthaften Vorbehalte habe. Aber dass es nicht nett wäre, wäre in meinen Augen schlichtweg gelogen. Soviel muss ich mittlerweile zugeben.


Hat was von
Sigur Rós
Takk...

Nils Frahm
Spaces

Persönliche Höhepunkte
Loom | Woven Song | Still / Sound | Zero | New Grass | We Contain Multitudes | Undone

Nicht mein Fall
-

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