Donnerstag, 27. Februar 2020

the Absolute Madman

[ stadionrockig | pathetisch | klassisch ]

Ich muss ehrlich zugeben, dass ich unter den Musiknerds dieser Welt wahrscheinlich einer der wenigen ist, der beim Thema Black Sabbath und allem, was damit verbunden ist, nicht direkt in Schwärmereien verfällt und eher zur skeptischen Fraktion gehört, was ihr Vermächtnis angeht. Sicher ist auch mir bewusst, wie gigantisch und unabdingbar der Einfluss der Band aus Birmingham auf so ziemlich alles ist, was mit Metalmusik zu tun hat und dass man sich mit ihnen befassen sollte, wenn man sich mit dieser Szene auseinandersetzt, verstehe ich auch gut. Nur hat mir das ehrlich gesagt nie dabei geholfen, ihren Output rein künstlerisch besser zu finden als durchwachsen und noch immer gibt es wenige Platten von ihnen (und zumindest die Klassiker darunter habe ich gehört), die ich in meinen Augen mehr als okay sind. Und was immer es über Black Sabbath schon negatives zu sagen gibt, gilt meistens nochmal in zehnfacher Weise für die Soloarbeiten ihres bekanntesten Frontmanns Ozzy Osbourne. Der Sänger, der für mich schon in den Siebzigern das schwächste Glied der Gruppe war und für gewisse inhaltliche Stumpfheiten, klangliche Monotonien und nervensägige Performances während ihrer Karriere hauptverantwortlich ist, zog diese Ästhetik auf seinen eigenen Platten gern noch extra ins klamaukige und blödelnde, was selten zu seinem Vorteil funktionierte. Dass Osbourne darüber hinaus jedes anfänglich vielleicht vorhandene Talent durch jahrzehntelangen exzessiven Substanzkonsum wieder und wieder durch die Tretmühle schickte, macht die Sache zusätzlich schwierig. Ich habe keinesfalls Vorbehalte gegen ihn als Persönlichkeit und finde es sogar sehr beeindruckend und respektabel, dass er 2020 noch immer auf der Bühne steht und dabei stabiler denn je scheint, doch bin ich künstlerisch noch nie übezeugt von ihm gewesen. Und es braucht erfahrungsgemäß einiges, um diese für mich aus dem Weg zu schaffen. Als 2013 das Comebackalbum von Black Sabbath als großer Neueinstand der Briten gefeiert wurde, war ich eher verhalten in meiner Reaktion und sah vor allem ein klappriges Konglomerat von Alt-Rockstars, die es sich selbst noch einmal zeigen. Und entsprechend skeptisch war ich demzufolge auch, als Ozzy Ende letzten Jahres ankündigte, auch selbst nochmal in den Ring steigen zu wollen. Als noch dazu Promotracks mit Leuten wie Post Malone und Travis Scott erschienen, umso mehr. Ganz im Stil seiner gesamten Karriere erwartete ich hier eine Platte, die seinen aufpolierten Hardrock nochmal richtig an den Mainstream verkaufte, ohne so richtig zu wissen, wie und warum eigentlich. Und sicher, Ordinary Man ist am Ende natürlich kein experimentelles Grenzgänger-Projekt, auf dem Osbourne über 50 Jahre versteckte Talente offenbart und auch hier klingt der Protagonist selbst nach fünf Tonnen Glättungsfilter nach einem alten Mann mit der Stimme eines Langzeitalkoholkranken. Trotzdem hat es diese LP geschafft, mich ernsthaft positiv zu überraschen, und das vor allem, weil sie tatsächlich erstmals größer sein will als der Mann selbst. In seinen besten Momenten schlägt der Prince of Darkness hier durchaus schmerzvolle Töne an, schreibt sehr reflektierte und autobiografische Songs und beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema Sterblichkeit. In gewissen Teilen ist Ordinary Man damit vielleicht seine Version eines Blackstar oder Post Pop Depression, die mit Tracks wie All My Life, Goodbye oder dem Titelstück auch sehr stimmungsvoll hergerichtet sind. So seriös und selbstbezogen habe ich Ozzy selten erlebt und macht hier einen Themenbereich auf, an den man bei ihm schon lange irgendwie dachte, aber von deren Qualität man in der Umsetzung dann doch überrascht ist. Logisch gibt es daneben dann auch noch seine typisch halloweenesken Horrorclown-Tracks wie Eat Me, Scary Little Green Man oder Straight to Hell, die aber meistens auch gar nicht so dämlich klingen wie zunächst angenommen und dieses Album auch mit einem nicht zu unterschätzenden Spaßfaktor aufladen. Auch wenn es an diesen Stellen vor allem textlich einige Fremdscham-Momente gibt, sind die Songs an sich handwerklich äußerst stabile Hardrock- und Heavy Metal-Nummern, die das augenscheinlich große Produktionsbudget genau an den richtigen Stellen ausnutzen. Und natürlich muss man an dieser Stelle auch über das großartige Personal sprechen, das hier zu hören ist. Mit Chad Smith von den Red Hot Chili Peppers am Schlagzeug, Duff McKagan von Guns'N'Roses am Bass und unter anderem Tom Morello (Rage Against the Machine) und Slash (auch Guns'N'Roses) als Gitarristen ist die Backing-Band dieser LP eigentlich eine formvollendete Supergroup, die darüber hinaus noch durch Gastauftritte von Sir Elton John sowie den bereits benannten Rappern Post Malone und Travis Scott ergänzt wird. Dass dieses sehr ungewöhnliche Rockstar-Konglomerat hier so effektiv zusammenarbeitet, ist einigermaßen erstaunlich und wo gerade Features wie diese auf jedem anderen Album rote Fahnen gewesen wären, tragen sie hier tatsächlich zum Gesamtergebnis bei. Wobei ich wider Erwarten besonders begeistert von den beiden Hiphop-Beiträgen im Closer Take What You Want bin, die echt ziemlich genial sind. Dass so ein Crossover hinhaut, ist absolut fantastisch und ungewöhnlich, wenn man daran denkt, wie schief sowas sonst meistens geht. Und es zeigt, wie viel Hingabe und Energie so gut wie alle in dieses Projekt gesteckt haben und dass Ordinary Man eben doch alles andere als ein seelenloser Cashgrab ist. Klar, es ist kommerzieller Hardrock und wahrscheinlich auch dazu da, den ein oder anderen Kontostand aufzubessern, aber es ist keine Motivation, die einem hier entgegenschlägt. Sondern die eines gut gemachten, würdevollen Comebacks, das in meinen Augen sehr viel aufregender und cooler ist als das von Black Sabbath vor sieben Jahren. Und dass ich diese Dinge mal über eine Soloplatte von Ozzy sage, ist am Ende des Tages noch immer die größte Überraschung.



Klingt ein bisschen wie
Foo Fighters
Concrete & Gold

Soundgarden
King Animal

Persönliche Höhepunkte
Straight to Hell | All My Life | Ordinary Man | Under the Graveyard | Eat Me | Take What You Want

Nicht mein Fall
Today is the End | It's A Raid


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