Mittwoch, 5. Februar 2020

Ganz dünnes Eis

[ textfokussiert | spärlich | experimentell ]

Es ist ein bisschen fies, das so frei heraus zu sagen, doch es ist auch kein Geheimnis, dass Frances Quinlan schon immer so etwas wie die Seele von Hop Along war. Zwar wäre die Band aus Philadelphia auch ohne die Fähigkeiten ihrer Frontfrau eine ganz vernünftige Indieband mit guten Songs, doch macht ihr Beitrag das ganze immer zu etwas besonderem. Lyrisch wie performativ ist Quinlan eine so spezielle und eigenwillige Kraft, dass sie jeder musikalischen Hinsicht herrausstricht und ohne sie wäre eine Platte wie Get Disowned wohl nicht eines meiner liebsten Alben aller Zeiten. Dass sie nach vier Alben mit Hop Along nun auch solo unterwegs ist, ist für mich also prinzipiell eine tolle Sache. Und tatsächlich war ihr Likewise, ihr Debüt als Alleinunterhalterin, auch eine der Veröffentlichungen, auf die ich mich in den ersten Monaten von 2020 am meisten gefreut habe. Die ersten Singles mochte ich ganz gerne und die etwas indietronisch gehaltene neue Ausrichtung versprach Spannung, vor allem hoffte ich aber, hier ein bisschen Rehabilitation für das ziemlich frustrierende letzte Album ihrer Band zu erhalten. Womit wir hier schon beim Haken der ganzen Sache wären. Denn so sehr ich Hop Along als Prinzip auch liebe, so sehr empfinde ich die Zeit seit Get Disowned als stilistische Rückentwirklung für sie. Vom rabiaten, frischen Sound, den sie noch 2012 hatten, drifteten sie über die Jahre mehr und mehr in eine etwas dröge Tegan & Sara-Ästhetik ab, die ihnen in meinen Augen nicht wirklich zu Gesicht stand. Und obwohl diese Marschrichtung am ehesten den lyrischen Auswüchsen von Quinlan Platz schuf, hoffte ich doch, dass ihre Soloplatte diese Tendenz nun in die richtige Richtung biegen würde. Was wiederum bedeutete, dass ich in erster Instanz sehr enttäuscht von Likewise war, denn klanglich geht die Platte den Weg des letzten Hop Along-Longplayers konsequent weiter. Wo Bark Your Head Off, Dog stilistisch noch ausformulierter Indierock mit entspanntem Gemüt war, ist vieles hier wenig mehr als das Skelett dieses Songwritings. Auf sich allein gestellt beschränkt sich Quinlan Begleitungs-technisch meist auf Akustikgitarre, ein paar pluckernde Synthesizer-Flächen, manchmal Klavier und wenn sie sich ganz großzügig fühlt, auch mal ein Schlagzeug. Prinzipiell ist das auch kein Problem und in meinen Augen hätte sie sicher auch ein gutes akustisches Album machen können. Nur entscheidet sie sich im weiteren dafür, lyrisch und gesanglich wieder extroviertierter zu werden, was viele Songs hier in den Definitionsbereich des experimentellen zieht. Und da ist sie meiner Meinung nach nicht besonders gut aufgehoben. In bester Tradition einer Patti Smith oder Laurie Anderson versucht sie hier, poetische Performances mit kargem Indiefolk-Backing zu verbinden, nur dass es bei ihr mitunter gehörig schief geht. Stücke wie Rare Thing, Piltdown Man oder Carry A Zero klingen bestenfalls nach kompositorischen Skizzen und im schlimmsten Fall nach fünfjährigem Kind mit Fisher Price-Keyboard. Was aussehen sollte wie eine kreative Weiterentwicklung mutet an vielen Stellen eher ziemlich verpeilt und nervig an. Die wie immer ausladenden Texte sind dabei in keinem Moment das Problem, eher die Tatsache, dass dem musikalisch nichts gegenübergestellt wird. Dieselben quirligen Monologe gab es bereits auf Painted Shut, dort allerdings mit gehaltvollen Rocksongs, die diese kompositorisch tragen können und so irgendwie Spaß machen, hier klingen sie plötzlich sehr mager und ungelenk. Wobei nicht jeder Song diesen Fehler gleich gravierend macht. So funktioniert A Secret als zurückhaltende Akustik-Nummer eigentlich ganz gut, Detroit Lake hängt den Hintergrund mit elektronischen Samples aus, die als Stimmugsmacher reichen und Lean entdeckt die niedliche Cello-Begleitung wieder, die schon auf den ersten Hop Along-Platten so wunderbar war. Diese Tracks sind dann zwar nicht so spannend wie die alten Band-Sachen, aber auf jeden Fall auch halb so schlimm und zeigen zumindest Wege auf, wie man das Dilemma hier lösen könnte. Es gibt sogar Momente, in denen ich mir das als niedlich-muckelige Alternative zu Quinlans Hauptprojekt vorstellen könnte und ich mir überlege, ob ich nicht einfach etwas hart mit diesem Album bin. Doch dann kommt im nächsten Moment wieder so eine endlose Leierei und ich habe direkt keinen Bock mehr. Vielleicht ist Likewise eine Platte, die einfach nur Zeit braucht oder deren Genie ich im Moment noch nicht erkenne, aber höchstwahrscheinlich ist sie einfach eine kompositorische Schnapsidee, bei der Frances Quinlan probiert hat, wie weit ihr Songwriting ihren künstlerischen Charaker aushält. Vor dieser LP hatte ich gehofft, dass das hier eine erfrischende Alternative zu Hop Along wird, jetzt hoffe ich, dass auf deren nächstem Album nicht zu viele Ideen von hier mit überschwappen. Denn egal ob solo oder mit Band, diese Frau hat eindeutig viel zu viel Talent, um so mittelmäßige Musik damit zu machen.



Klingt ein bisschen wie
Mount Eerie
Now Only

Hop Along
Bark Your Head Off, Dog

Persönliche Höhepunkte
Your Reply | Detroit Lake | Went to L.A. | Lean | Now That I'm Back

Nicht mein Fall
Piltdown Man | Carry A Zero


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