Dienstag, 25. Februar 2020

Ein weites Feld

[ düster | karg | unterschwellig | britisch ]

Es ist an sich ja eine super Sache, dass Archy Marshall sich musikalisch inzwischen selbst gefunden hat. Sein stilistisches Identitätssuchungs-Tingeltangel zwischen seinem Debüt von 2013 und dem erretenden Zweitwerk the Ooz vier Jahre später war ja teilweise nicht mehr mit anzusehen und ich hatte für ein paar Jahre schon die Hoffnung verloren, King Krule würde jemals der Künstler werden, den anfangs alle in ihm sehen wollten. Doch gemessen daran, wie genial besagte zweite Platte letztlich war, hat sich die ganze Tortur ja anscheinend gelohnt und mittlerweile kann man sich auch sicher sein, dass Marshall in dieser Inkarnation seines Sounds erstmal angekommen ist. Zwar ist die trübe Düsterbrühe aus Postpunk, experimentellem Jazz, Jangle-Indie und Hustensaft-Delirium, die der Brite seit einigen Jahren spielt keine, die ihn zum neuen Indiedarling machen wird wie ursprünglich prognostiziert, dafür ist sie authentisch, kreativ, auf eine eigenwillige Weise sehr originell und gerade wenn wir nochmal von the Ooz sprechen wollen, auch sehr vielfältig. King Krule hat sich mit dieser LP seine eigene Nische in der modernen Popmusik geschaffen, was für sich gesehen eine wichtige Leistung für sein künstlerisches Dasein war. Mindestens genauso spannend ist aber, wie es von da aus weitergeht. An Man Alive!, dem Nachfolger seines Meisterwerks, hat Marshall nun wieder drei Jahre lang herumgedoktert, und das diesmal ohne zwischenzeitliche Ausflüge als Rapper und DJ. Etwas neues und besonderes war hier also durchaus erwartbar und mittlerweile hatte ich auch genug Vertrauen in diesen Typen, das ich eine LP von der Tragweite the Ooz durchaus für möglich hielt. Dass sie fast genauso klingt, war damit dann aber nicht unbedingt gemeint. Wobei das eigentlich halb so wild ist. Natürlich gibt es schlimmeres als eine Platte, die den sehr guten Stil ihres Vorgängers weiter erforscht und die klangliche Sicherheit von King Krule zementiert, doch ist mir die ganze Nummer hier stellenweise doch ein bisschen suspekt. Denn obgleich Man Alive! prinzipiell einen erfolgsversprechenden Weg verfolgt, ist die Sache in vielen kleinen Aspekten das entscheidende bisschen schwächer als ihr Vorgänger. Auch wenn das auf den ersten Blick sicher nicht auffällt, denn viele Elemente sind hier weiterhin stark. Die flirrenden Saxofone in Airport Antenatal Airplane, die dreckigen Surfrock-Licks in Energy Fleets, der fast ambiente Closer Please Complete Thee und natürlich Archys schmuddeliges londonerisches Lamento in allen Tracks machen hier mächtig Bock und führen die Handschrift von the Ooz sehr vernünftig weiter. Auch die leicht vermehrten Jazz- (und Bossa Nova!)-Einflüsse sowie das insgesamt etwas stillere Songwriting kommen klasse rüber und gerade im Schlussteil der LP ist Man Alive! teilweise so gut wie sein Vorgänger. Auf der anderen Seite gibt es dann aber auch so Songs wie Stoned Again oder Cellular, auf denen King Krule ziemlich stumpf wirkt oder solche wie Alone, Omen 3 und (Don't Let the Dragon) Draag On, die einfach wenig zum Gesamtkonzept beitragen. Fast auf der gesamten ersten Hälfte der Platte klingt Marshall dazu wie die untote Freejazz-Version von MacDeMarco und hat dabei durchaus die gleichen Probleme wie das Original, nicht schon auf dem dritten Album nach seinem eigenen Klischee zu klingen. Setzt man das alles zusammen, ist hier vom nächsten großen Meisterwerk des Briten bis zu sehr fragwürdigen Cuts eine ganze Menge dabei und ein übergreifendes Fazit ist so gut wie unmöglich. Ich mag Teile dieser Platte wirklich gerne, andere aber auch wirklich nicht. Und zu sagen, dass die LP so Mittel ist, würde keiner Ausprägung so richtig gerecht werden. Letztendlich steckt eine ziemlich gute klangliche Basis in Man Alive! und wie gesagt mag ich den Style von King Krule mittlerweile wirklich gerne. Unterm Strich ist es also eher ein tolles Gesamtwerk mit ein paar groben Schnitzern als ein prinzipieller Ausfall mit zufälligen Glückstreffern. Nach drei Jahren ist das für jemanden wie Archy Marshall aber trotzdem nicht das Gelbe vom Ei und dass er kreativ nicht zu mehr fähig wäre, glaube ich ihm kein Stück. Nicht nach dem, was er hier in seinen besten Momenten andeutet.



Klingt ein bisschen wie
Mac DeMarco
This Old Dog

Marching Church
The World is Not Enough

Persönliche Höhepunkte
Comet Face | the Dream | Perfecto Miserable | Airport Antenatal Airplane | Theme for the Cross | Underclass | Energy Fleets | Please Complete Thee

Nicht mein Fall
Cellular | Stoned Again


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