Sonntag, 16. Februar 2020

Change My Mind

[ aufgelockert | funky | pseudo-poetisch ]

Ich habe mich in den letzten Jahren oft gefragt, warum ausgerechnet Messer immer die eine Band waren, die im Rahmen des deutschen Postpunk-Revivals nie so richtig auf ihre Kosten kam und zu keinem Zeitpunkt den Fame einheimste, den ihre teilweise weniger talentierten Kolleg*innen relativ schnell und mühelos bekamen. Ein Teil davon lag sicher daran, dass sie kein Teil der berüchtigten Stuttgarter Zelle um die Nerven, Karies, Human Abfall und Van Holzen waren und auch ihr relativ dünner Release-Katalog ist sicher ein Faktor gewesen. Vor allem waren die Münsteraner aber häufig einfach viel zu schnell abgelenkt und mit dem was sie machten dem Stil, der die größte Aufmerksamkeit bekam, zu jedem Zeitpunkt einen Schritt voraus. Wenn man ihre Platten mit der Musik vergleicht, den fast der ganze Rest der Szene zum gleichen Zeitpunkt machte, spielten sie alle Entwicklungsstufen des Revivals ein bis zwei Jahre früher durch. Was unter anderem auch für mich zu dem Problem führte, dass ich ihr meistes Material erst sehr viel später wirklich zu schätzen lernte. Insbesondere ihr letztes Album Jalousie, das ich zu seiner Veröffentlichung vor vier Jahren noch für pretenziösen Blödsinn hielt, hat seitdem stark in meiner Gunst gewonnen und ist mittlerweile eine der wichtigsten Säulen, die Messer für mich zu einer der spannendsten deutschen Rockbands der letzten Dekade machen. Was mir zeigt, dass auch ich mit ihnen manchmal meine Zeit brauche und dass sich in ihrem Fall das Drumherum manchmal entwickeln muss, um die wahre Schönheit einer Platte zu offenbaren. Und diese letzte Feststellung ist für diesen Artikel ein wichtiger Basisgedanke, denn auch mit Messers viertem Album habe ich gerade so meine Probleme. Wobei ich ehrlich sagen muss, dass es sich diesmal anders anfühlt also sonst immer und ich bei No Future Days irgendwie die unangenehme Ahnung habe, dass die Band hier tatsächlich schwächer wird. Jalousie fand ich damals vor allem deshalb schwierig, weil es mich kreativ überforderte. Nach dem verruchten Grundlagen-Postpunk, den die Münsteraner auf dem Vorgänger die Unsichtbaren spielten, war vieles hier freier gestaltet, das Songwriting offener und Sänger Hendrik Otremba lyrisch auf Entgrenzungsmodus gepolt. Messer sprengten hier die Erwartungen und machten ein Produkt, das mir aufgrund seiner künstlerischen Befreiung erstmal unbehaglich war. Auf No Future Days ist die Sache nun umgekehrt. Zwar ist die klangliche Entwicklung der Band insofern konsequent, dass das Album sich klanglich weiter auflockert und der Sound insgesamt freundlicher wird, doch geht das auf der anderen Seite der Medaille mit einer umfassenden kompositorischen Stagnation einher. Die experimentellen Eskapaden, die Jalousie ausmachten, sind hier fast komplett Geschichte, stattdessen schreiben die vier hier ihre bisher unspektakulärsten und stilistisch waglosesten Songs. Das betrifft in erster Instanz die Rhythmusabteilung, die hier eine Postpunk-Ästhetik von Reißbrett entwirft und damit zwar cool und stimmungsvoll klingt, aber eben auch wie jeder x-beliebige Drangsal-Verschnitt. Und normalerweise wäre das eigentlich kein Problem, weil an diesen Stellen mit Hendrik Otremba einer der fähigsten dunkelromantischen Lyriker der Republik einspringen kann, doch auch der lässt sich diesmal ein bisschen feiern. Nur auf wenigen Stücken gehen seine Texte über literarische Plattitüden hinaus, die er willkürlich aneinanderreiht, einfach weil sie so schön intellektuell und denkerhaft klingen. Und auch wenn er es damit wieder einmal das Kunststück fertig bringt, einen Song mit dem Namen Tapetentür nicht komplett bescheuert wirken zu lassen, ist das ganze inzwischen nur noch wenig überraschend und ein bisschen vorhersehbar. Es gibt Nummern wie Tiefenrausch II (ein Rückbezug auf einen Unsichtbaren-Song), Die Frau in den Dünen oder das Outro von Versiegelte Zeit, die nochmal Restbestände vom Spirit der Band mobilisieren können und am Ende ganz solide sind, doch kein Track auf diesem Album ist ein Angeschossen oder Der Staub zwischen den Planeten. Um es ganz unumwunden zu sagen: Messer klingen hier langweilig und abgehangen. Und das ganz immens. Dass Otremba mehr als einen geraden Satz rausbringt und der Rest der Gruppe zumindest ein durchschnittliches Level an schmissigen Licks rausballert, macht diese LP zwar nicht unhörbar und stellenweise sogar akzeptabel, doch wie eine besondere Band klingen die Münsteraner hier nicht mehr. Und an dieser Stelle bin ich mir wirklich nicht sicher, ob ich das in drei Jahren wirklich anders empfinden werde. Sicher kann es sein, dass ich auf diesem Album irgendwann etwas finde, was ich momentan nicht sehe oder mich gerade die Eigenschaftslosigkeit dieser Musik beeindruckt (auch sowas ist schon vorgekommen), aber realistisch ist das eher nicht. Sehr wahrscheinlich wird No Future Days auch in Zukunft ein schwächelndes Messer-Projekt bleiben, auf dem die Band sich zum ersten Mal nicht von ihrer Schokoladenseite präsentiert. Und das ist schade, aber das passiert eben auch den besten. Und zu denen gehören siefür mich so oder so.



Klingt ein bisschen wie
Die Nerven
Fake

Botschaft
 Musik verändert nichts

Persönliche Höhepunkte
Tiefenrausch II | Die Frau in den Dünen

Nicht mein Fall
Das verrückte Haus | Tapetentür | Anorak | Stern in der Ferne 

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