Donnerstag, 6. Februar 2020

Komm zu Papa

[ textintensiv | synthetisch | experimentell ]

Dan Bejar ist ohne Frage ein Künstler, der in seinem Leben schon sehr viel unterschiedliche Musik gemacht hat und sich als kreative Person wohl von niemandem den Vorwurf gefallen lassen muss, konservativ oder langweilig zu sein. Gerade seine Diskografie aus den Zwotausendern (die ich leider bis heute sehr unzureichend kenne) umfasst mit fast jedem Eintrag eine völlig neue musikalische Richtung, die einzig durch die poetische Performance des Künstlers selbst zusammengehalten wird und immer wieder auf neue Arten faszinierend ist. Man kennt Destroyer folglich nicht als Projekt, das klanglich gerne auf der Stelle verharrt, sondern lieber beweglich und innovativ bleibt. Umso erstaunlicher ist es also, dass genau das in den letzten Jahren eher nicht so sehr der Fall war, sondern Bejar eher eine klare Richtung suchte, in der er die Band entwickeln konnte. Angefangen beim 2015 veröffentlichten Poison Season, auf dem er für sich eine sehr erlauchte Form von Artpop etablierte, sind alle musikalischen Veräußerungen des Kanadiers seitdem Optimierungen einer stilistischen Formel, die mehr oder weniger gleich bleibt. Im wesentlichen angeregt vom Spätwerk seiner großen Vorbilder Leonard Cohen und David Bowie schreibt er Songs, die überaus düster und lyrisch sind, einen gewissen schöngeistigen Touch haben und vor allem Bejars Lyrics viel Platz einräumen. Ken von 2017 transferierte diesen Sound von orchestralen Arrangements auf Synthesizer und schuf damit die Basis für das, was wir jetzt auf Have We Met hören. Und gleich vorweg: In meinen Augen fühlt sich diese Platte wie die ästhetische Vollendung der eben beschribenen musikalischen Idee an. Wo ich damals bei Poison Season noch eher spektisch auf die ganze Sache blickte, war ich zwei Jahre später schon ganz angetan davon und was Bejar 2020 macht, begeistert mich zum ersten Mal so richtig. Das liegt vor allem auch daran, dass er hier das ersten Mal wieder richtig er selbst ist. So sehr ich die letzten beiden Platten auch mochte, so sehr waren sie teilweise übel abgeschaut und knabberten an der Kreativität von Destroyer, was Have We Met definitiv nicht tut. Schon auf den ersten Singles der LP spürte man, dass das hier wesentlich ambitionierter werden würde als seine Vorgänger und Dan Bejar wieder ganz er selbst war. Zwar bedeutet das auch, dass diese zehn Songs wesentlich weniger eingängig sind, aber für ein Album wie dieses nehme ich das gerne in Kauf. Die abstrahierten Singsprech-Monologe des Kanadiers klingen wie die theatrale Beatnick-Version von Mark Kozelek, allerdings in etwas surreal und mit extrem erotischer Hörbuch-Stimme. Die musikalischen (und sind wir mal ehrlich, auch generellen) Daddy-Vibes, die Bejar schon auf seinen Vorgängern entwickelte, kommen hier endgültig zum tragen und obwohl ich die meiste Zeit keine Ahnung habe, worüber er eigentlich singt, bin ich mir sicher, dass es sehr tiefgründige und existenzielle Dinge sind. Texte stehen auf Have We Met noch mehr im Fokus als auf Ken, was gut ist, weshalb es aber auch sehr leicht fällt, die großartigen musikalischen Tricks und Kniffe zu ignorieren, die im Hintergrund stattfinden. Diese sind hier wieder vornehmlich synthetisch, was als erste Reaktion bei mir erneut die Achtziger-Alben von Leonard Cohen hervorrief, tatsächlich geht das ganze diesmal aber ein bisschen tiefer. So gehen einige Instrumentals hier fast schon in Richtung House und Techno und wieder andere kehren zurück zu klassischen Piano- und Gitarren-Passagen. Besonders beeindruckend finde ich in vielen Stücken aber den genial produzierten Bass, der - egal ob nun synthetisch oder nicht - eine gewisse Schmissigkeit in die sonst sehr monotonen Tracks einbringt. Mit dem Titelsong gibt es kurz vor Ende sogar ein komplett gesangsloses Stück, das fast nach Ambient-Noise klingt. Trotz seiner sehr textorientierten Ästhetik und dem vielen Inhalt gelingt es Destroyer also, eine sehr vielseitige und spannende LP fertigzubringen, die klanglich genauso faszinierend ist wie lyrisch. Und es scheint, als hätte Dan Bejar hier zu dem Sound gefunden, den er seit Poison Season schon anstrebt. Von meiner Perspektive aus ist es zumindest das beste Album des Kanadiers, das ich in meiner aktiven Zeit gehört habe und eines, auf dem ich beginne zu verstehen, was diesen Typen für viele schon lange so besonders macht. Und wenn das dabei rauskommt, wenn man eine Weile lang weniger stilistische Haken schlägt, kann ich damit durchaus leben.



Klingt ein bisschen wie
Leonard Cohen
I'm Your Man

Nick Cave & the Bad Seeds
Ghosteen

Persönliche Höhepunkte
Crimson Tide | Kinda Dark | It Just Doesn't Happen | the Raven | Cue Synthesizer | Have We Met | the Man in Black's Blues | Foolssong

Nicht mein Fall
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