Mittwoch, 12. Februar 2020

Dirty Denzel

 [ oldschool | urtümlich | dreckig | lyrisch ]

Obwohl ich die Diskografie von Denzel Curry nun schon seit seinem Debüt mehr oder weniger aktiv verfolge und inzwischen auch des öfteren über ihn geschrieben habe, empfinde ich es immer noch als äußerst schwierig, diesen Künstler für mich zu definieren. Der Rapper aus Florida ist jemand, der mittlerweile ein durchaus beeindruckendes Mainstream-Portfolio mit diversen viralen Hits vorweisen kann, der aber auch immer wieder zu den schrägsten und ungewöhnlichsten Figuren in der modernen Hiphop-Landschaft gehört. Jemand, der ein technisch und lyrisch einwandfreier Hochglanz-MC sein kann und will, sich aber auch gerne an kurzlebige Trends schmeißt und nebenbei komplette Ausreißer und experimentellen Kram sondersgleichen fabriziert. Dabei fängt die Verwirrung bei seiner stilistischen Vielfalt noch nicht mal an. Schon alleine die Frage, wie viele Platten es von Curry Stand 2020 eigentlich gibt, beantwortet wahrscheinlich jede*r im Internet ein bisschen anders und was dabei was ist, wird auch nicht so richtig klar. Neben seinen zwei quasi "offiziellen" Alben Imperial und Ta13oo gibt es seit circa 2013 eine ganze Reihe von Veröffentlichungen, die man beim besten Willen nicht so richtig einordnen kann. Mit Zuu gab es letztes Jahr eine Mischung zwischen EP und Mixtape, auf der er ätherischem Boombap frönte, das seltsame Kleinformat 32Zel/Planet Shrooms von 2015 ist mir bis heute ein großes Rätsel und mit allem, was in Verbindung von Ta13oo erschien, kommt man alles in allem auf gut drei separate Releases. Unter den vielen sprunghaften Rap-Künstler*innen ist er damit sicher einer der stilistisch am wenigsten fassbaren und qualitativ am meisten durchwachsenen Acts, über den ich auch gute zehn Jahre nach seinen ersten Schritten als Künstler kein rechtes Urteil zu finden vermag. Da hilft es auch nicht wirklich, dass die neue Dekade gerade Mal sieben Wochen alt ist und Curry schon wieder einen mächtigen linken Haken verteilt. Ohne jede Ankündigung erschien am vergangenen Donnerstag das Mini-Projekt Unlocked in Zusammenarbeit mit Kenny Beats, auf dem der Rapper ästhetisch schon wieder komplett neue Pfade einschlägt und Erwartungen subversiert. Nach Cloudrap, Industrial Rap, Trap und Groove Metal sind diese acht neuen Songs ein Ausflug in den Bereich des hartkantigen Boombap-Rap der Neunziger und Zwotausender, insbesondere von Leuten wie Mobb Deep, Madlib, DJ Shadow und MF Doom. Parallel zu den Songs erschien auf Toutube eine komplett animierte Video-Version der Platte inklusive trashigem Tron-Abklatsch als lose Story, die auf ganz eigene Art ziemlich zum schießen ist. Je nach Auslegung haben wir es hier also mit einem Mini-Album, einer EP, einem Mixtape oder einem Soundtrack zu tun und stilistisch sind Kenny und Curry den Erwartungen fast noch weiter ausgebüchst. Und obwohl solche Späße meinen anerzogenen LP-Formats-Autismus ein bisschen zum brodeln bringen, muss ich doch zwei Dinge ehrlich zugeben. Erstens: das Konzept ist irgendwie schon echt geil und zweitens: Unlocked ist rein musikalisch das beste und stabilste, was Denzel Curry seit einer ganzen Weile gemacht hat. Ganz davon abgesehen, dass ich generell eine Schwäche für diesen ganzen Neunziger-New York-Kram habe und Kenny Beats in meinen Augen zu den besten Produzenten der vergangenen Dekade gehört, ist die Ästhetik hier besonders stimmig gelungen. Vieles hier hat den grantigen und vergilbten Charme eines uralten Mixtapes und die Art, wie darauf oldschoolige Film-Samples verwurstet werden und die Songtitel alle so heißen wie irgendwelche von Napster gesaugten Demo-Files, gibt dem ganzen einen sehr liebevoll gekünstelten DIY-Anstrich. Das ist extrem sympathisch und auf jeden Fall der fette Pluspunkt der Platte. Aber auch unter der ästhetischen Oberfläche hat Unlocked viel zu bieten, wobei wir hier vor allem von Denzel Currys eigentlicher Performance sprechen. Der ist Rap- und Punchline-technisch hier auf einem Level, das ich von ihm selten erlebt habe und baut teilweise so abgefahrene Bars, das man am liebsten kurz Pause drücken würde, um das alles in Ruhe nachzuvollziehen. ("My bitch bad like battle rappers that make albums / with no outcome / X the middle man, no Malcolm"). Obwohl thematisch dabei verhältnismäßig wenig Komplexität im Spiel ist und es eher wenige und kurze Strophen gibt, liefert der Rapper hier lyrisch durch die Bank ab und zeigt erstmals so richtig, wie gut er den klassischen Cypher-Clown geben kann. Vor allem macht es aber ziemlich viel Spaß, Curry beim flexen zuzuhören, zumal sein kantiger Flow und die rotzige Performance jede Menge Persönlichkeit transportieren. Hier zeigt sich auch beeindruckend, wie großartig Kenny und er hier zusammenarbeiten, denn man hat immer das Gefühl, dass Beats und Parts sich gegenseitig viel Platz einräumen und die beiden Musiker nicht nur kreativ gleichberechtigt waren, sondern auch dieselbe künstlerische Vision hatten. Mit gerade Mal 17 Minuten ist das Ergebnis dann leider ein bisschen kurz für so gut gemachten Hiphop, trotzdem entsteht insgesamt ein sehr runder Eindruck, der eben eher eine sehr ausführliche EP ist als ein zu knapp bemessenes Album. So oder so gehört es trotz seiner Kürze und seinem unklaren Zwischendasein zu den besten Sachen, die ich von beiden Künstlern bisher gehört habe und sollte deshalb definitiv nicht wegignoriert werden. Und wenn ich eines über die Musik von Denzel Curry inzwischen gelernt habe, dann dass Projekte wie diese manchmal die wichtigeren sind als seine Alben. Auch wenn mich das insgesamt ein bisschen unruhig macht.



Klingt ein bisschen wie
Wu-Tang Clan
36 Chambers (Enter the Wu-Tang)

Madvillain
Madvillainy

Persönliche Höhepunkte
Track 01 | Take_it_Back_v2 | Lay-Up.m4a | Pyro (leak 2019) | 'Cosmic'.m4a

Nicht mein Fall
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