Dienstag, 18. Februar 2020

It's Evolution, Baby!

[ edel | ätherisch | routiniert ]

Es ist inzwischen ziemlich genau zehn Jahre her, dass im Mai 2010 das erste Album von Kevin Parker unter dem Namen Tame Impala erschien, und an sich könnte man argumentieren, dass das ja keine allzu lange Zeit gewesen ist. Zumindest dann nicht, wenn man bedenkt, dass wir hier von einem Projekt reden, dass anhand seiner künstlerischen Entwicklungen und zahlreichen Metamorphosen in der letzten Dekade auch schon mindestens doppelt so lange am Start sein könnte. Zwar gibt es von den Australiern bis heute nominell gerade Mal vier vollwertige Alben plus einiger EPs uns Singles, doch ist es einigermaßen beeindruckend, welche Verwandlungen diese Band seit Innerspeaker durchgemacht hat. Stellt man ihr Debüt mit dem gerade frisch geschlüpften neuen Longplayer the Slow Rush gegenüber, fühlt sich das an, wie jemandem nach langer Zeit wiederzubegegnen, der inzwischen graue Haare bekommen und 50 Kilo abgenommen hat. Man erkennt schon wer es ist, doch die gleiche Person ist irgendwie es nicht mehr. Und im Fall von Kevin Parker bedeutet das für mich leider vor allem, dass seine Musik mit der Zeit nachgelassen hat. Wo besagtes Debüt, welches als einzige Tame Impala-Platte unter meinen Favoriten der letzten Dekade landete, für mich noch ein offenbarendes Highlight moderner psychedelischer Musik war, beschreibt ihre nachfolgende Diskografie in meinen Augen einen kaum bemerkbaren, aber dennoch stetigen Abwärtstrend. Die Evolution dieses Projekts passierte über die Jahre so organisch, dass man die Veränderung zwar aufnahm, sie sich aber wie eine völlig logische Entwicklung anfühlte, weshalb es auch niemals schockierende Stilbrüche öder plötzliche Totalausfälle von Parker gab. Gleichsam habe ich mich aber auch daran gewöhnt, mich bei ihm sukzessive mit immer weniger zufriedenzugeben, was mittlerweile dazu führt, dass mich ein so okayes Album wie dieses schon fast positiv überrascht. Und dabei ist the Slow Rush weiß Gott nicht uninteressant geworden. Entgegen meiner anfänglichen Befürchtungen, die Platte würde als dröges, eintöniges Soft-Electronica-Projekt versanden, so wie die ersten Singles befürchten ließen, schafft Parker doch wieder, was er schon die letzten zwei Male geschafft hat: Das Ergebnis ist anders als erwartet, aber das ist auch nicht verkehrt so. Im Sinne seiner klanglichen Evolution von Psychedelic Rock über Disco ist er hier nun in seiner synthetischen Understatement-Pop-Phase angekommen, in der seine Ästhetik edler, glatter, erwachsener und weniger chaotisch und verschnickt wird. Zwar wabert hier noch immer die allgegenwärtige Wall of Sound, das Schlagzeug klingt nach trippiger Hippie-Pappe und die kompositorischen Flächen sind weit, ätherisch und farbenfroh, doch kann man den explizit psychedelischen Part seiner Songs spätestens ab hier streichen. In seinem musikalischen Kosmos weiß Kevin Parker inzwischen sehr gut, was funktioniert und was nicht, und zumindest was den Sound angeht, ist diese LP nicht weniger als exzellent. Der Mikrokosmos an Motiven, die hier aufgefahren werden ist absolut faszinierend, das Handwerk der LP eine Wonne und rein von der Atmosphärik ist das hier tatsächlich das bisher reifste aller Tame Impala-Projekte. Die Probleme liegen wie beim letzten Album Currents eher in der Art und Weise, wie das alles zusammengefügt wurde. Wobei das eine auch ein bisschen das andere bedingt. Die traumwandlerische Sicherheit, mit der hier die klangliche Ausgestaltung vorgenommen wurde hat den Nachteil, dass sich mitunter zu sehr auf diese Stärken verlassen wurde und die Komposition deshalb ein bisschen zu safe daherkommt. Ausreißer von der Sorte Borderline, das ein bisschen nach alten Timbaland-Sachen klingt oder das fast folkige Tomorrow's Dust sind Seltenheiten, stattdessen dominieren die schon auf Currents so bewährten Psychpop-Elemente, die inzwischen halt ein bisschen abgenutzt klingen. Es gibt Songs we It Might Be Time, Lost in Yesterday und Is It True, bei denen das ein weiteres Mal sehr gut funktioniert und Parker zumindest seine offenkundigen Talente bestätigt, gerade in der ersten Hälfte passieren dann aber auch solche Sachen wie Posthumous Forgiveness oder Breathe Deeper, in denen das Konzept Tame Impala zum ersten Mal wirklich öde klingt. Und wie durchschnittlich einige Momente hier sind, merkt man teilweise erst ganz am Ende, wenn Parker mit One More Hour doch noch das große Feuerwerk abbrennt. Der siebenminütige Epochal-Closer ist dabei gleichermaßen großartig wie frustrierend, weil er einerseits zeigt, wie spannend und dynamisch auch die erwachsene Version dieser Band klingen kann, zum anderen aber offenbart, was diese LP alles nicht ist. Mit Stücken wie diesem füllten Tame Impala in ihrer Hochphase ganze Alben, was mittlerweile nicht mehr vorstellbar scheint. Und auch wenn dieses Album fünf Jahre gebraucht hat um fertig zu werden, hat es in seiner Gänze schon etwas von unterkühlter Routine. Ich will the Slow Rush nicht verteufeln, da es unterm Strich absolut kein mieses Endprodukt geworden ist und dem Abfall der parkerschen Formkurve zumindest insofern Einhalt gebietet, dass es das Niveau von Currents hält. Meine einzige Angst ist, dass mit dieser LP das gleiche passiert wie mit ihrem Vorgänger und sie in einen völlig unverdienten Legendenstatus verfällt, von dem ich mich am besten gleich an dieser Stelle in aller Deutlichkeit distanziere.



Klingt ein bisschen wie
Manitoba
Up in Flames

Air
Moon Safari

Persönliche Höhepunkte
Tomorrow's Dust | On Track | Lost in Yesterday | Is It True | It Might Be Time | One More Hour

Nicht mein Fall
Instant Destiny | Posthumous Forgiveness | Breathe Deeper

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