Donnerstag, 9. März 2017

Gleiches mit Gleichem

Die Geschichte von Van Holzen bis hierhin schreibt sich wirklich sehr schön. Es ist ein Märchen von drei Jungs aus der Baden-Württembergichen Provinz, die sich zusammenfinden, um laute Rockmusik zu spielen und durch harte Arbeit und Durchsetzungsvermögen jetzt dort gelandet sind, wo alle hinwollen: Seit zwei Jahren haben sie einen Deal mit Warner und spätestens mit dem Release von Anomalie sind sie für viele die heißesten Rock-Newcomer der aktuellen Saison, obwohl sie darüber eigentlich auch schon hinaus sind. Und zunächst war ich gerade deswegen ziemlich misstrauisch. Viele der Gruppen, die ein ähnliches Profil wie Van Holzen haben, auf einem Major sind und in den letzten Jahren auf die gleiche Art angepriesen wurden, entpuppten sich sehr schnell als heiße Luft und Formationen wie Heisskalt, Trümmer und Schmutzki besetzen inzwischen eine Nische zwischen Radiopop, Punkrock und Indie, die mich persönlich immer mehr nervt. Dass die Ulmer unter Umständen doch anders sein könnten, davon mussten sie mich lange und mühsam überzeugen. Doch letztendlich gab es dann diesen einen Song, der in mir doch die Hoffnung aufkeimen ließ. Herr der Welt heißt das gute Stück und hat eben genau das, was ich an vielen der gerade genannten Bands immer vermisst hatte: Eine wirklich eingängige melodische Struktur, ein gewisses Hitpotenzial aber eben doch genug Kante und lyrische Verwegenheit, um nicht bloße Deutschpoeten-Kacke zu sein. Mit seinem leicht vom Metal inspirierten Riffing ist der Track sogar eine ziemliche Wild Card. Aber genau deswegen war er mir auch sehr sympathisch. Und ich wurde optimistisch, was Van Holzen angeht und wollte mir Anomalie doch mal anhören. Mittlerweile weiß ich, dass ich mich in diesem Fall wieder einmal zu früh gefreut habe. Denn was man hier erlebt, ist eines der langweiligsten, gesichtslosesten Rockalben, die ich dieses Jahr bisher gehört habe. Ich weiß sehr wohl, dass eine gewisse Apathie und ein Hang zur Gleichgültigkeit im Postpunk schon immer cool sind, aber hier wird das in weiten Teilen so interpretiert, dass man in jedem Song das gleiche machen kann. Für die Leute, die wie ich Herr der Welt cool finden, ist das theoretisch eine gute Nachricht, denn man kann ihn hier im Prinzip noch elf weitere Male hören. Nur eben in wesentlich schlechteren Ausführungen. Die Rhythmusgruppe spielt wieder und wieder diese dicken Riff-Brecher, die in den besten Fällen an ganz billigen Stoner Rock erinnern und das ist alles immer schön laut und irgendwie ungemütlich, aber trotzdem so, dass der gewöhnliche Henning-May-Fan nicht aus den Latschen kippt, wenn er sturzbesoffen zufällig die falsche Bühne beim Hurricane erwischt. Was die Albernheit jedoch krönt, ist die Performance von Sänger Florian Kiesling, der seine Tätigkeit mit einer beneidenswerten Routine angeht. Auf fast jedem Song singt er im gleichen, submelodisch-halbschlafenden Tonfall, der mehr als einmal auch nicht funktioniert. Dazu wirken seine Texte zu jedem Zeitpunkt so, als hätte er zwölf Tracks aus ein und demselben Vokabular zusammengestellt, wobei Dinge wie Sinnzusammenhang oder Inspiration für ihn totale Zeitverschwendung zu sein scheinen. Die Anordnung von allen Elementen folgt dann maximal der Prämisse, dass man die Songs hier als solche identifizieren kann und ob sie irgendwie spannend oder gut sind, ist eher ganz schön egal. Dass Herr der Welt so ein Banger geworden ist, wirkt im Kontext dieses Albums wie ein kolossaler glücklicher Zufall, da Van Holzen in Sachen Songwriting die meiste Zeit auf dem Niveau einer besseren Schülerband agieren. Vielleicht sind sie ja tatsächlich noch nicht bereit für dieses Level an Aufmerksamkeit, sondern hätten lieber noch ein paar Jahre im der heimischen Szene verbracht. Aber jetzt, wo sie nicht mehr zurück können, ist so eine Blamage vorprogrammiert. Zum Glück ist das dem Typen mit dem Royal Blood-Shirt auf dem Hurricane egal und zum Glück gibt es ein paar tausend von ihm, die dafür sorgen, dass sich das Disaster wenigstens lohnt.





Persönliche Highlights: Herr der Welt / Leichenschmaus

Nicht mein Fall: Erfolg / Nie / Masquerade / Kopfgeld

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