Donnerstag, 23. März 2017

Dad Rock

Seit dem Jahr 2010 hält die texanische Indieband Spoon einen streitbaren Rekord: Laut der Autoren von Metacritic, einer Seite, die numerische Bewertungen namhafter Review-Seiten sammelt und Statistiken daraus erstellt, hat das Quartett über den kompletten Zeitraum der Nullerjahre die im Durchschnitt besten Bewertungen bekommen. Wenn man also davon ausgeht, dass die Zahlen nicht lügen, sind Spoon wahrscheinlich die beste Band des neuen Jahrtausends. Und ich persönlich habe gegenüber der Statistik nur wenige Einwände. Zwar fehlt von ihnen nach wie vor das eine große Album, über das alle noch in fünfzig Jahren staunen, doch dafür haben sie auch noch nie ein wirklich schlechtes gemacht. Bisher kann ich jede der Platten, die ich von ihnen gehört habe, ohne Vorbehalte weiterempfehlen und selbst die Tatsache, dass ihre Musik inzwischen ein bisschen gealtert ist, tut dem absolut keinen Abbruch. Umso erstaunlicher ist es, dass die konstante Erfolgskurve mit Hot Thoughts jetzt erstmals einen kleinen Knick macht. Das inzwischen neunte Studioalbum der Texaner ist zwar auch alles andere als ein Totalausfall, aber es ist doch merklich schwächer als Alles, was davor kam. Die kompositorische Energie und der frisch-freche Indiesound fehlt hier auf einmal und man hat erstmals das Gefühl, hier eine in die Jahre gekommene Gruppe von Musikern zu hören. Und dass Spoon das sind, fällt einem dann erstmal wie Schuppen von den Augen: Gegründet wurde die Band 1993, im gleichen Jahr wie Wilco, Braid und Daft Punk. Bis vor zwei Jahren klangen sie jedoch, als hätten sie gerade mal ihr zweites Album draußen. Und mit diesem Wissen wird Hot Thoughts vielleicht nicht unbedingt besser, aber es erklärt sich irgendwie. Was wir hier hören, ist möglicherweise der Beginn einer Umbruchphase, in der Spoon langsam anfangen, ihrer Musik die Reife angedeihen zu lassen, die sie selbst schon lange haben. Weniger Hedonismus und spritzige Indie-Hits, dafür mehr kompositorische Breite, Gelassenheit und klassische Elemente. Kurz gesagt: Die Texaner sind auf dem besten Weg, eine Dad Rock-Band zu werden. Auf Songs wie I Ain't the One und Tear It Down funktioniert das schon ganz gut, aber es ist auch ganz klar, dass sie sich hier noch umorientieren. Ganz zu schweigen davon, dass sie ihren Fans das irgendwie beibringen müssen. Die sind es mittlerweile nämlich gewohnt, mit jedem Album stapelweise Hits zu bekommen und für dieses Bedürfnis bleibt hier nur der Titelsong übrig. Hot Thoughts ist also im besten Fall der Übergang der Band zu einer ähnlich starken neuen musikalischen Phase, die die Prioritäten neu setzen kann und aus Spoon vielleicht doch noch mehr macht als eine unterhaltsame Indie-Spritztour. Es könnte allerdings auch passieren, dass sie den Absprung hier nicht schaffen und jetzt in die Orientierungslosigkeit abdriften. Allerdings finde ich nicht mal diese Variante so schlimm. Diese Jungs waren lange genug die Besten, jetzt sind auch mal andere dran. Rekorde sind schließlich dazu da, um sie zu brechen.





Persönliche Highlights: Hot Thoughts / Pink Up / I Ain't the One / Tear It Down / Shotgun / Us

Nicht mein Fall: Whisperi'lllistentohearit / First Caress

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