Mittwoch, 15. März 2017

Make Cumbia Great Again!

Wenn man wissen will, warum ausgerechnet Ondatrópica während der letzten fünf Jahre so etwas wie der neue Buena Vista Social Club geworden sind, dem wird es auf jeden Fall helfen, sich noch einmal ihr erstes Album anzuhören. Das selbstbetitelte Werk von 2012 erschien nicht nur auf Soundway Records, dem momentan sicherlich besten Label für internationale Folkmusik, sondern es schaffte es auch, diesen Begriff völlig neu zu definieren. Eigentlich spielte das ungefähr vierzigköpfige Ensemble aus dem kolumbianischen Bogotá ja Cumbia, einen regionaltypischen Stil zwischen folkloristischen Elementen und Pop, doch transzendierte jene Platte damals den Begriff noch einmal vollkommen. Da hörte man Achtzigjährige Rapper, elektronische Beats mit Akkordeon, ein ulkiges Latin-Jazz-Cover von Black Sabbaths Iron Man und noch wesentlich mehr krasses Zeug. Und obwohl ich die Schlagkraft dieses Longplayers absolut anerkennen muss und die Musik hier definitiv äußerst spannend ist, finde ich bis heute nicht so recht den Zugang dazu. Zu viele Dinge wollen Ondatrópica hier gleichzeitig, zu sprunghaft ist das ganze umgesetzt und mit einer Länge von fast zwei Stunden ist man auch schnell überfordert. Dementsprechend skeptisch war ich zunächst, als Ende letzten Jahres das zweite Album des Kollektivs angekündigt wurde. Ich wollte ja unter allen Umständen eine Platte dieser Leute mögen, da es sich hier offenkundig um wahnsinnig talentierte Musiker_innen handelte, doch das Debüt hatte mich ziemlich abgeschreckt. Umso beruhigender war es dann, in den letzten Monaten so unglaublich viele gute Singles aus der kommenden LP zu hören. In einer Tour veröffentlichte das Projekt großartige Latin-Knaller, die sich in letzter Zeit in meinen Ohren festsogen und meine Einstellung gegenüber Baile Bucanero von Skepsis zu Euphorie umschlagen ließen. Darüber kann ich froh sein, denn tatsächlich ist die neue Platte jetzt das Highlight geworden, das ich mir von Ondatrópica schon immer gewünscht habe. Zwar ist hier alles stilistisch wie kapazitiv ein ganzes Stück kleiner gehalten als beim Debüt und es gibt nicht ganz so wilde Auswüchse, doch genau das trägt sehr viel zur Qualität der LP bei. Denn die trotzdem nach wie vor vielen und fantastisch inszenierten kompositorischen Elemente haben hier endlich Platz, sich so richtig zu entfalten und für sich zu wirken. Was dabei rauskommt sind dann quasi zu 99,9 Prozent Hits. La Naranja Madura, Malaria, Lazalypso, Bogotá: Eine großartige Hook jagt die nächste und teilweise klingen dabei die Deep Cuts sogar noch geiler als die Singles. Und für Variabilität ist trotzdem reichlich gesorgt: Hummingbird hat etwas sehr modernes und poppiges an sich, Lazalypso ist die fette Latin-Keule mit breit aufgezogenen Bläsersätzen, Come Back Again ist ein chilliges Dancehall-Stück und Estar Contigo hört man sogar auffällige afrikanische Einflüsse. Außerdem ist es entspannend, dass Ondatrópica damit diesmal nur eine Stunde Material füllen und damit wenigstens einen gewissen Rahmen halten. Denn darum, dass es bei ihnen langweilig wird, müssen sie sich wirklich auch in tausend Jahren keine Sorgen machen. Auf Baile Bucanero finden sie stattdessen erstmals die perfekte Abstimmung, der ihren Sound von der Schokoladenseite zeigt, die er schon beim letzten Album verdient gehabt hätte. Allermindestens ist das hier der bessere Einstieg für Leute, die dieses Zeug vielleicht noch nie gehört haben und nicht gleich die Mega-Breitseite des Debüts erfahren wollen. Für mich persönlich ist es die Platte, die mein Herz neu für diese Band gewonnen hat und damit bis jetzt eine der besten des Jahres. Und bei so viel positiver Energie, die diese Songs susstrahlen, wird sich daran höchstwahrscheinlich wenig ändern.





Persönliche Highlights: La Naranja Madura / De Mar A Mar / Malaria / Lazalypso / Caldo Parao / Come Back Again / Campesino / Bogotá / Cumbia Bucanero

Nicht mein Fall: Commotion

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