Donnerstag, 16. März 2017

Diebe unter sich

Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass irgendjemand außerhalb des australischen Kontinents, von dem der Songwriter Cameron Avery ursprünglich stammt, schon mal von ihm gehört hat und wenn doch, dann kennt diese Person ihn wahrscheinlich persönlich. Zwar spielt der Multiinstrumentalist schon seit geraumer Zeit bei den mittlerweile äußerst berühmten Tame Impala, doch wer dort nicht Kevin Parker heißt, ist eigentlich nie mehr als ein besserer musikalischer Statist. Was seltsam ist, denn Avery ist als Komponist nicht untalentiert und hat sich in dieser Funktion auch schon bei seinen anderen Bands Pond und the Growl einige Sporen verdient. Doch es hat bis zu seinem Solodebüt gedauert, dass das wirklich jemand mitbekommt, weil wir scheinbar in einer Welt leben, in der man den Leuten so etwas eintrichtern muss. Doch wenigstens versteht es Ripe Dreams, Pipe Dreams, die gewonnene Aufmerksamkeit mit einer ordentlichen Show zu erwidern. Und das funktioniert vor allem deshalb, weil Avery seine Position als australischer Superstar auch zu Nutzen weiß. In europäischen Maßstäben wäre es unvorstellbar, dass der völlig unbekannte Live-Gitarrist einer Indieband mal eben ein ganzes Orchester bucht, um sein Debüt aufzunehmen, doch weil Australien für unser Szene-Verständis komplett abgefuckt ist, kann er das hier machen. Und es trägt definitiv jede Menge zur Qualität dieser Platte bei. Ohne die dicken Streicher wäre Ripe Dreams... vielleicht nicht mehr als ein weiteres gutes Songwriter-Album im Stil eines Kevin Morby oder Josh Tillman, doch mit wird es zum echten Hingucker. Die Melodien hier werden von der zusätzlichen Instrumentation viel besser getragen und kontrastieren die sporadischen Gitarre-und-Text-Passagen vorzüglich. Natürlich nimmt das der ganzen Sache die Intimität, aber wie bei Peter Fox, Foxygen oder eben Tillman macht die unglaubliche Spannweite der Songs das doppelt und dreifach wett. Man kann Cameron Avery zu dieser Entscheidung nur gratulieren, denn so unfair das auch sein mag, sie verschafft ihm einen großen Bonus in Sachen Aufmerksamkeit. Und kaschieren vielleicht auch die vielen kleinen Fehlerchen, die er sich hier gelegentlich erlaubt. Dass wir es hier mit einem Songwriter zu tun haben, der ein Gespür für Melodien hat, ist offensichtlich. Doch wenn man etwas genauer hinhört, merkt man auch sehr schnell, von wem er dieses Talent gelernt hat. Seine Einflüsse zeigt Avery hier so offen, dass manche seiner Ideen mitunter ein bisschen geklaut wirken. Wer in Do You Know Me By Heart oder besonders Big Town Girl (sehr große Ähnlichkeit zu einem Track, den ich glaube ich nicht näher betiteln muss) nicht an den frühen Leonard Cohen denkt, hat seine Hausaufgeben nicht gemacht (ohne Mist, hört euch Leonard Cohen an!) und im Zwischenteil von Watch Me Take It Away findet man ihn plötzlich als zugegeben ziemlich schlechte Tom Waits-Kopie wieder. Solche dermaßen dreisten Klaus sind zwischen den eigentlich sehr aufmerksam arrangierten Passagen äußerst unangenehm und gehen über kleine Zitate weit hinaus. Ferner ist auch die Produktion teilweise etwas zu glatt geraten und wirkt in den falschen Momenten ekelhaft schlagerig und abtötend. Das ist wirklich schade, denn eigentlich hätte Ripe Dreams... ein echt gutes Album werden können. Wäre das Songwriting nicht ganz so oberflächlich und vor allem geklaut gewesen und der Sound ein wenig origineller, hätte Cameron Avery mit Leonard Cohen und Tom Waits verglichen werden können. So reicht es wenigstens noch, dass die Welt ihn als mehr in Erinnerung behält als den Typen, der auf der Bühne immer rechts neben Kevin Parker steht. Jemandem, dem für sein Geklaue regelmäßig Kritikerherzen zufliegen.





Persönliche Highlights: A Time & Place / Do You Know Me By Heart / Wasted On Fidelity / the Cry of Captain Hollywood / Watch Me Take It Away

Nicht mein Fall: Big Town Girl / Whoever Said Gambling's for Suckers

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen