Sonntag, 19. März 2017

Old Soul Song (for the New World Order)

Bis vor ein oder zwei Jahren hätte ich es wahrscheinlich selbst nicht geglaubt, doch es scheint im Moment tatsächlich so zu liegen, dass Conor Oberst so etwas wie seinen zweiten Frühling erlebt. In seinem noch recht frischen Alter von 37 Jahren sollte man mit einer solchen Formulierung zwar eher vorsichtig umgehen, doch es fühlt sich definitiv so an. Nachdem seit mittlerweile sechs Jahren nichts mehr neues von den Bright Eyes zu hören war, die ohnehin immer uninteressanter wurden und seine Soloplatten nie wirklich die gleiche Bedeutung hatten, mausert er sich inzwischen immer mehr zurück ins Rampenlicht. Für mich persönlich war der Beginn seines Siegeszuges das Comeback seiner alten Punkband Desaparecidos im Sommer 2015 und als ein gutes Jahr später noch jeder dachte, dass dieser Erfolg jetzt eher ein glücklicher Zufall war, veröffentlichte der Songwriter aus Omaha sein nächstes grandioses Projekt: Ruminations vom vergangenen Oktober setzte das Konzept des Songwriters zurück auf seinen kleinsten gemeinsamen Nenner und unglaublich intime Texte und wurde damit in meinen Augen das erste wirklich relevante Soloalbum des Amerikaners. Und nur fünf Monate später sieht es ganz so aus, als hätten wir zumindest in gewisser Weise wieder den Tausendsassa und Workaholic Conor Oberst zurück, den wir aus den Nullerjahren kennen. Zwar besteht Salutations nur gut zur Hälfte aus wirklich neuem Material, der Rest sind die zehn Songs von Ruminations in neuen Arrangements, doch was hier damit angestellt wird, ist alles andere ale eine oberflächliche Überarbeitung. Wo der Vorgänger vor allem durch seine Simplizität und Intimität faszinierte, baut Oberst daraus hier unglaublich bunte, strahlende Folk(-Punk?)-Hymnen, die groß und stark sein wollen. Viele Fans der letzten Platte waren deswegen beunruhigt und fürchteten, die Songs würden durch diese Neuinterpretation verunglimpft. Doch wenn ich jemandem mit so etwas vertraue, dann diesem Typen. Denn was er hier macht ist ja im Prinzip nichts anderes als das, was er früher mit den Bright Eyes gemacht hat und die waren auch immer deshalb gut, weil sie zwar musikalisch optimistisch und durchaus auch euphorisch sein konnten, aber trotzdem Messages vermittelten, die zum Teil ziemlich finster waren. Und genau das tut er hier auf ähnliche Weise wieder. Ich würde sogar noch weiter gehen: Salutations ist in den letzten sechs Jahren das, was am nächsten an ein Comeback des legendären Projektes kommt. Nur dass das inzwischen eigentlich keiner mehr braucht. Der Conor Oberst von 2017 ist stilistisch weitergezogen und inzwischen ein bisschen mehr Bob Dylan und Shane MacGowan geworden. Auf Ruminations hörte man das zwar deutlicher als hier, doch die ein oder andere knatschige Mundharmonika blitzt auch hier durch. Was die bearbeiteten Tracks vom Vorgänger angeht, so passiert hier in meinen Augen das Gegenteil des befürchteten Szenarios: Einige Stücke, die ich in ihrer ursprünglichen Fassung nicht so sehr mochte, gefallen mir hier wesentlich besser und tatsächlich schlechter ist kein einziger geworden. Darüber hinaus schaffen es die neuen Songs wie Napalm oder Too Late to Fixate wunderbar, für eine gehörige Portion Pep zu sorgen, die bei einer Spielzeit von knapp siebzig Minuten auch echt nötig ist. Doch was am Ende herauskommt ist für mich die endgültige Rückkehr des Conor Oberst, wie die meisten ihn kennen und lieben gelernt haben. Es ist vielleicht nicht ganz so originell wie Payola oder Ruminations, aber diese Tatsache wird in meinen Augen vollständig ausgeglichen dadurch, wie unfassbar gut es geworden ist. Ich war zwar optimistisch, dass Oberst dieses Unterfangen hinbekommen würde, doch dass er hier so einen Geniestreich fabriziert hat, überrascht mich dann doch. Es ist ein deutliches Indiz dafür, dass er nach wie vor so großartige Platten kann wie vor zehn oder fünfzehn Jahren. Wenn sie nicht sogar ein bisschen besser sind.





Persönliche Highlights: Too Late to Fixate / Gossamer Thin / Afterthought / Napalm / Mamah Borthwick (A Sketch) / Barbary Coast (Later) / Tachycardia / Empty Hotel By the Sea / Anytime Soon / A Little Uncanny

Nicht mein Fall: Counting Sheep

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