Dienstag, 21. März 2017

Where's the Accelerator?

Man kann Depeche Mode eigentlich gar nicht so richtig böse sein. Während andere Bands ihrer Generation, die früher eigentlich besser waren mittlerweile nur noch wahlweise diesen alten Blödsinn abfeiern oder kläglich daran scheitern, neu und innovativ zu sein, haben die Briten bisher eine recht stabile Bilanz: Alle paar Jubeljahre kommt ein neues Album, das jetzt vielleicht nicht der allergrößte Hit, aber zumindest hörbar ist. Dazu gibt es eine ausgiebige Tour, auf der dann auch die alten Klassiker gespielt werden und als geneigter Hörer konnte man sich in den letzten 30 Jahren genüsslich zurücklehnen und auf ein solides neues Projekt warten, während neben einem die Fanbase von Metallica, Guns'N'Roses und U2 die Heugabeln aus dem Keller holte. Selbst ich als jemand, der die Band erst Ende der Nullerjahre, also in ihrer vielleicht schwächsten Phase, wirklich wahrgenommen hat und nur bei den letzten beiden Longplayern dabei war, muss sagen, dass hier keine groben Stilfehler vorlagen, die Dinger eben nur etwas langweilig waren. Dementsprechend komisch war es auch, vor ein paar Wochen dann mit Where's the Revolution den ersten Song dieses neuen Albums zu hören. Die Leadsingle von Spirit war, so kann ich das im Moment mit absoluter Sicherheit sagen, der ernsthaft schlechteste Song, den ich in diesem Jahr bisher gehört habe. Und der Grund dafür ist einer, der am soliden Fundament der Pop-Institution Depeche Mode 2017 kräftig rüttelt. Denn den Briten passiert hier genau das, was einige Fans sicher schon lange befürchtet haben: Sie klingen alt. Nicht nur das, sie klingen wie eine alte Band, die unbedingt jung klingen will und sind damit so ziemlich die Definition von uncool geworden. Das Konzept des Tracks funktioniert schon in der Theorie nicht: Der politische Aktivismus, die ihre Texte in den Achtzigern hatten, wird hier versucht, neu zu beatmen und über den musikalischen Istzustand der Briten zu stülpen. Dabei klingt das ganze bloß wie ein komplett blutleerer Track einer ehemals guten New Wave-Gruppe, die sich darüber aufregt, dass diese Jugend heutzutage unsere schöne Welt vor die Wand fährt. Traurig. Und ich muss leider sagen, dass das fertige Album daran nicht viel ändern kann. Zwar bleibt Where's the Revolution der schlimmste Song darauf und alles andere wäre auch echt schlimm gewesen, doch zumindest den Vorwurf, dass sie klingen wie ein paar lahme Opas müssen sich Depeche Mode gefallen lassen. Kompositorisch ist auf den zwölf neuen Stücken so gut wie überhaupt nichts los und über die komplette Spieldauer dümpeln Depeche Mode hier in einem ideenlosen Schneckentempo vor sich her, das unglaublich nervt. Spirit zu hören erzeugt bei mir dasselbe Gefühl wie auf einer Landstraße hinter einem sehr langsam fahrenden Auto hinterherdackeln zu müssen, weil man seit einer halben Stunde nicht überholen kann. Dazu klingt Dave Gahans Gesang so ekelhaft wie selten zuvor und seine Texte sind dermaßen flach, dass sogar Katy Perry zuletzt gehaltvoller klang. Depeche Mode scheinen hier einfach nicht so richtig zu wissen, wohin mit sich selbst und irgendwie haben sie ja was zu sagen, aber irgendwie auch wieder nicht. Wenn ich den Herren einen Tipp geben könnte, dann würde ich ja dort weiter machen, wo der Song Eternal aufhört, der einzige wirkliche Lichtblick auf Spirit. Hier setzt die Band ausnahmsweise mal nicht auf pluckernde Matrix-Synths und halbgare Messages, sondern baut ein ziemlich experimentelles und unwirsches Stück, das gar nicht so richtig in diese Tracklist passt. Aber die zweieinhalb Minuten hier sind für mich der Aha-Moment des Albums: Sie erinnern ein kleines bisschen an die ganz späten Sachen von David Bowie und in eine Richtung, in der ich Depeche Mode sehr gerne sehen würde. Als experimentelle, verruchte Elektro-Band, als die sie hier auftreten, sind sie tatsächlich sehr spannend und klingen zwar immer noch alt, aber eben auf die gleiche Art erhaben, wie Bowie das auf seiner letzten Platte war. Und was Lebenserfahrung angeht, hätte Dave Gahan ganz bestimmt einiges zu erzählen. Aber diese Art von Musik wollen sie ja nicht. Stattdessen bekommen wir hier das in meinen Augen bisher schlechteste, weil ödeste Depeche Mode-Projekt ihrer gesamten Karriere und zusätzlich das Gefühl, dass diese drei Typen wohl nichts mehr zu sagen haben. Womit sie nunmehr auch das mit Metallica und U2 gemein hätten.





Persönliche Highlights: Eternal

Nicht mein Fall: Where's the Revolution / Scum / You Move / Cover Me / So Much Love

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