Montag, 27. März 2017

Loud City Song

Ich dachte eigentlich, nach 2015 hätte die Musikwelt erstmal geschlossen die Schnauze voll von neunzigminütigen Superalben und letztes Jahr war für mich folglich auch heimlich so etwas wie das "große Jahr des halbe-Stunde-Longplayers, aber bereits die ersten Monate zeigen, dass 2017 wieder groß aufgefahren wird. Erst kürzlich brach Drake das Eis mit verhältnismäßig noch gemütlichen 80 Minuten, doch wenn demnächst die neue LP der Gorillaz erscheint, die mit 26 angekündigten Tracks sicher alles andere als knapp wird und auch Oiseaux-Tempête, für die unter einer Stunde nie etwas geht, ebenfalls in den Startlöchern stehen, können wir uns schon im Frühjahr frisch machen. Und dann kommen jetzt auch noch the Bug und Earth mit ihrem nicht weniger sperrigen Debüt. Satte 89 Minuten geht die überrschende Kollaboration der beiden doch recht ungleichen Künstlerparteien Kevin Martin und Dylan Carlson und obendrein ist das ganze auch noch ein Ambient-Noise-Projekt. Obwohl man nicht behaupten kann, dass sich diese Entwicklung nicht an den Fingern abzählen ließe: Denn wenn beide Musiker überhaupt etwas gemein haben, dann ist es ihre Liebe zu sehr langen und intensiven Tracks, in denen verhältnismäßig wenig passiert. Und ich will nicht leugnen, dass ich mich auf Concrete Desert trotz dieser Aussichten im Vorfeld sehr gefreut habe. Sowohl Carlson als auch Martin befinden sich in den letzten Jahren mehr oder weniger auf einem stilistischen Selbstfindungstrip und eine solche Zusammenarbeit kann dabei ein sehr erfrischendes Erlebnis sein. Wobei dieses Album das Prädikat "erfrischend" zumindest klanglich eher weniger zu Gesicht steht. Die 13 Stücke sind maximal breitgefahrener, experimenteller Düster-Ambient, der seine Fühler weit in Richtung Elektro und Doom Metal ausstreckt und so die beiden beteiligten Künstler auf die einfachste Weise zusammenführt. Und obwohl genau diese Formel auf den bisherigen Singles sehr spannend war, wird sie auf Albumlänge zur erwarteten Geduldsprobe. Martin und Carlson spielen hier einen stumpfen, Distortion-geladenen Noise-Dampfhammer nach dem anderen und rödeln wieder und wieder ihr doch ziemlich monotones und ideenloses Gepolter vor sich her. Das passt zwar blendend zum dystopischen ästhetischen Konzept à la Fritz Lang, ist aber nur äußerst schwer verdaulich. Schon nach den ersten fünf ich-will-sie-gar-nicht-Songs-nennen ist man ziemlich gerädert und dabei geht die Platte ab hier mit dem epochalen Zehnminüter American Dream erst richtig los. Der ist dann an sich aber ein ganz schicker Ambient-Track, der der Platte insgesamt wieder ein bisschen mehr Chill-Faktor verpasst, bevor die beiden danach wieder losrütteln. Dasselbe gilt mit Abstrichen für die anderen beiden langen Nummern, Another Planet und den Titelsong. Die zweite Hälfte der LP ist dann die deutlich leichtere und elektronischere, wirklich besser ist sie aber auch nicht. Stücke wie Other Side of the World oder Hell A funktionieren nach dem selben stinklangweiligen Schema wie der erste Teil auch und bieten ebenfalls keinerlei Abwechslung. Und wo am Anfang wenigstens noch Carlsons Gitarre für ein paar Akzente sorgte, ist sie hier bis zur Unkenntlichkeit nach hinten gemischt und versinkt dort irgendwo im Reverb. Ganz zum Schluss gibt es mit Dog und Pray noch zwai positive Überrschungsmomente, deren zehn gute Minuten aber keine anderthalb Stunden Mist wieder aufwiegen. Und leicher Konsumierbar machen die Concrete Desert ebenfalls nicht. Wenn ich dieses Album jemandem empfehlen kann, dann höchstens, wenn diese Person bei den aktuelleren Werken von Scott Walker oder Merzbow eine feuchte Hose bekommt. Aber selbst dann ist das hier noch eine sehr monotone Arbeit, die man nur mit der Geduld eines Reiszählers wirklich ertragen kann. Und die Kmbination aus beidem macht die Sache für mich extrem unattraktiv. Mein Unbehagen hat im Übrigen nichts damit zu tun, dass das hier experimentelle Musik ist. Es hat einfach nur damit zu tun, dass diese Experimente zu nichts führen.





Persönliche Highlights: Gasoline / Agoraphobia / American Dream / Concrete Desert / Dog / Another Planet

Nicht mein Fall: City of Fallen Angels / Don't Walk These Streets / Hell A

CWTE auf Facebook

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen